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X-Men: Erste Entscheidung

Originaltitel: X-Men First Class
Regie: Matthew Vaughn
Drehbuch: Mathhew Vaughn u.a.
Score: Henry Jackman
Darsteller: James McAvoy, Michael Fassbender, Kevin Bacon, Jennifer Lawrence, Hugh Jackman

Wertung: 90 %

- Würdiges X-Men-Prequel und stilsichere Comic-Verfilmung mit Suchtpotenzial -

Ein deutsch-polnischer Junge im KZ, ein kleiner englischer Einstein und ein blaues Mädchen haben eins gemeinsam: Sie sind Mutanten. Während der junge Erik im Zweiten Weltkrieg durch die Nazis seine Eltern verliert und gezwungen wird, seine Kraft zu verstärken, werden Charles Xavier und Raven Darkholme Freunde. Charles kann Gedanken lesen und kontrollieren, Raven ihre Gestalt verändern. Der Öffentlichkeit gehen sie so lange aus dem Weg, bis sie von der Regierung um Hilfe gegen den Oberbösewicht Sebastian Shaw gebeten werden. Hier treffen sie auch auf Erik, der Metall kontrollieren kann und weitere Mutanten. Die ersten X-Men enstehen.

Ich musste diesen Eintrag einfach noch nachholen. Dazu muss gesagt werden, dass ich bereits seit dem ersten Teil eine begeisterte X-Men-Zuschauerin bin, was an meinem Faible für Comic-Verfilmungen allgemein liegen mag. Die Faszination eines guten Superhelden-Films liegt darin, dass er die Realität mit dem Übernatürlichen unterhaltsam und plausibel verknüpfen kann. Peter Parker in Spider-Man steht zum Beispiel nach seinem Spinnenbiss erstmal an dem Rand eines Hochhausdaches und muss herausfinden, bei welcher Bewegung seines Handgelenkes seine Spinnenfäden hervorschießen. Tony Stark wird vom ersten Prototyp seines Anzugs gegen die Decke seines Parkhauses geschleudert, bevor er Iron Man werden kann (und glotzt lieber erstmal blonden Reporterinnen auf den Arsch, statt die Welt zu retten).

Genauso verhält es sich bei X-Men First Class. Die Charaktere werden in einer annähernd realistischen Umgebung eingesetzt und ihre Gefühle und Handlungen sind durchweg nachvollziehbar. Sie bleiben sozusagen menschlich, obwohl sie ja Superhelden werden sollen. Dazu braucht es das feinfühlige Drehbuch von Regisseur Matthew Vaughn, aber auch großartige Darsteller. Vaughn hat zum Glück größtenteils auf Charakterdarsteller gesetzt. James McAvoy hat zwar durch Wanted schon Erfahrung mit dem Action-Genre, ist aber eher durch Dramen wie Abbitte oder Der Letzte König von Schottland bekannt geworden. Jennifer Lawrence ist eine unglaublich talentierte New-Comerin, die im gefeierten Winter´s Bone ihre Präsenz und Spielfreude bewies und über Michael Fassbender brauch ich ja eigentlich nicht mehr zu reden. Obwohl auch er in Mega-Streifen wie 300 rumhüpfte, kannte ich ihn bis dahin eher aus Indie-Dramen wie Fish Tank und Hunger. In jedem Fall kann man sich auf eins verlassen: Diese Schauspieler können mehr, als nur mit Muskeln spielen und durch die Kamera springen. Auf diese Weise werden aus Superhelden eben wieder Menschen, man leidet und bangt mit ihnen. Hinzu kommt ein wunderbar altmodischer Bösewicht. Ich habe mich riesig gefreut, dass Vaughn sich getraut hat, einen ganz klassischen Fiesling einzusetzen, der (wie es sich gehört!) die Welt zerstören will, dabei elegant und gemein gleichzeitig ist UND ein U-Boot hat. Ich meine – hallo? – welcher Bösewicht hat heutzutage noch ein U-Boot? Auch hier erweist sich die Besetzung als durchweg gelungen, denn Kevin Bacon verkörpert Sebastian Shaw mit raubtierhafter Eleganz und großer Spielfreude. Der Eye-Catcher an seiner Seite ist die bezaubernde January Jones, die nicht nur wunderhübsch ist, sondern auch schauspielern kann (was sogar auffällt, obwohl ihre Rolle nicht so zentral ist).

Aber keiner kommt eben gegen Magneto an. Der Film hätte durchaus auch X-Men Origins: Magneto heißen können. Denn dem späteren Superschurken wird immer wieder Gelegenheit gegeben, die Zuschauer für sich zu gewinnen. Seine Leidensgeschichte zieht einen schon mal gleich auf seine Seite, die unglaubliche Coolness, mit der er sich rächt, bindet dann endgültig. Er schleudert Anker samt Kette, fesselt Soldaten mit Stacheldraht und entwaffnet sie so schnell, zielstrebig und erbarmungslos, dass man nur staunen kann. Spätestens, wenn er unter Aufwendung all seiner Kraft ein ganzes U-Boot aus dem Meer zieht, klappt einem der Mund auf. Für deutsche Zuschauer ist es auch ganz unterhaltsam, den Film im O-Ton zu schauen, denn Fassbender, der deutsch-irische Wurzeln hat, spricht in mehreren Szenen immer wieder selbst deutsch. Zwar ist der irische Akzent zu hören, Zuhören macht aber trotzdem Spaß (Kevin Bacon´s Deutsch ist dagegen nichts, aber umso lustiger!)

Wer die vier vorigen X-Men-Filme (X-Men Origins: Wolverine mit eingeschlossen) gesehen hat, dem werden zwangsläufig die vielen Bezüge zu späteren Entwicklungen auffallen. Leider haben die Drehbuchautoren da nicht immer genau recherchiert. In einer der letzten Szenen des Films lenkt Magneto eine Kugel von sich ab und „feuert“ sie so aus Versehen genau in Charles´ Rückgrat, sodass dieser von nun an im Rollstuhl sitzt, wie wir es aus den ersten drei X-Men-Filmen kennen. In Wolverine aber sehen wir einen wesentlich älteren Charles, der immer noch gehen kann. Hier passt also was nicht. Auch die freundschaftlichen Verbindungen zwischen Mystique/Raven und Charles, sowie zwischen Mystique und Beast sind zwar überraschend und gut inszeniert, nur merkt man in späteren Filmen davon überhaupt nichts. Im dritten Film gibt es nach den Credits eine Hidden Scene, in der der tot geglaubte Charles von einer erwachsenen Frau gepflegt wird. Er spricht sie als Moira an, es ist also anzunehmen, dass es sich hierbei um die FBI-Agentin Moira Mc Taggert handelt, die in X-Men First Class eine größere Rolle spielt, am Ende des Films aber von Charles das Gedächtnis gelöscht bekommt. Da First Class in den 60ern spielt, müsste Moira im dritten Film mindestens 60 Jahre alt sein. Sie sieht aber eher wie 40 aus. Ein weiterer Fehler in Bezug auf das Alter findet sich bei Agent Stryker, der im zweiten Film den Oberfiesling gibt und zudem der „Erschaffer“ von Wolverine ist. Schöne Idee, ihn im Prequel schon mal auftauchen zu lassen, leider ist Stryker aber gerade dort um die 70 Jahre alt. Im zweiten Film und im Wolverine-Film wirkt er dagegen viel jünger.

Diese kleinen Macken sind es, die mich davon abhalten, dem Film 100 Prozent zu geben, obwohl es einen Riesenspaß macht, die Vorgeschichte der X-Men zu erfahren. Besonders das Zusammenspiel von McAvoy und Fassbender sprüht vor Spielfreude und Sympathie, Look und Ausstattung sind cool und retro gleichzeitig. Und natürlich sollte der unglaublich coole Score von Henry Jackman erwähnt werden! Besonders das Magneto-Thema ist derart passend und mitreißend, dabei einfach und – es fällt mir kein besseres Wort ein – catchy, dass ich es gleich mal auf dem Klavier spielen musste. Hat auch super geklappt, gerade weil die Melodie so simpel-gut ist. Immer wieder gibt es Szenen in dem Film, die einfach aufgrund ihrer Coolness (Bar-Szene in Argentinien, Cameo von Wolverine) oder ihres Pathos (U-Boot-Szene) den Zuschauer mitreißen und im Gedächtnis bleiben. Umso schwerer wiegen die genannten Fehler, die jedem auffallen, der die übrigen X-Men-Filme mit Begeisterung gesehen hat.

Fazit: Sau-geiler Comic-Streifen auf hohem filmischen Niveau, der hervorragend Fans und Neulinge unterhält, dabei aber leider ein paar Fehler in den Bezügen zu späteren Filmen macht.

Ähnliche Filme: Iron Man, Spider-Man, X-Men 1-3, The Avengers

Herzallerliebste Grüße,
eure J.

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