Sleeping Beauty


Originaltitel: Sleeping Beauty
Regie: Julia Leigh
Drehbuch: Julia Leigh
Darsteller: Emily Browning, Rachael Blake

Wertung: 86 %

- Wunderschöne, leise Studie einer jungen Frau auf dem Weg zu sich selbst –


Lucy ist eine junge Studentin und wie viele andere in ihrer Lage so finanziert auch sie sich ihr Studium über eine Reihe von kleinen Jobs. Neben dem gewöhnlichen Kellnern und gelegentlichen Mitmachen bei den Experimenten der Medizinstudenten gehören für Lucy ebenso Krankenpflege und Prostitution dazu. Eines Tages gelangt sie über eine Anzeige zu dem edlen Escort-Service Silver Surfers, für den sie von nun an arbeitet. Eine ihrer Aufgaben ist es, eine „Sleeping Beauty“ zu sein: Sie wird betäubt, dann nackt in ein Bett gelegt. Für die Dauer ihrer Betäubung darf der (greise) Kunde des Service mit ihr machen, was er will – außer sie zu penetrieren oder zu verletzen. 

Julia Leighs Regiedebüt besticht durch seine leisen Töne. Mit langen Stills und ruhigen Kamerafahrten fängt sie Lucys Handeln, ihren Weg und ihre Entscheidungen ein. Dabei fällt – durchaus nicht negativ – auf, dass auf den Einsatz von Musik vollständig verzichtet wurde. Einzig in einer Szene, in der Lucy Drogen nimmt, bekommt der Zuschauer eine Art Geräuschkomposition zu hören. Davon abgesehen kann von einem Score keine Rede sein. Wie schon „No Country For Old Men“ so schafft es „Sleeping Beauty“, diesen Umstand von einer vermeidlichen Schwäche in eine Stärke zu verwandeln: Allein Lucy und die sie betreffenden Geschehnisse stehen im Mittelpunkt. Gott sei Dank spielt die atemberaubend schöne Emily Browning Lucy mit solcher Überzeugung und stiller Hingabe, dass es leicht fällt, sich ganz und ausschließlich auf sie zu konzentrieren. 

Auf erzählerische Erklärungen wird dabei völlig verzichtet. So entstehen kleine Irritationen: Warum besucht Lucy zum Beispiel immer wieder einen jungen Mann und versorgt ihn mit Alkohol? In welchem Verhältnis stehen die beiden zueinander? Warum lässt Lucy zu, dass man sie wie eine Puppe benutzt? Hat sie Freude daran oder bestraft sie sich? Nur eins steht fest: Ihr selbst bleibt der Zugang zu ihren Gefühlen verwehrt. Erstaunlich emotionslos bewältigt Lucy alles, was durch ihre Jobs auf sie zukommt, sei es das Schlucken einer Magensonde für Medizinstudenten oder das Flirten mit älteren Männern in einer Bar. Es scheint, als ob jede ihrer extremen Handlungen dazu bestimmt ist, ihr zu helfen, sich selbst zu verstehen. Einzig der junge und offensichtlich totkranke Mann, den sie immer wieder besucht, scheint Gefühle in ihr wecken zu können. Als er stirbt, sieht man Lucy das erste Mal weinen.

Es ist die Mischung aus schockierend-neugierweckender Handlung um die Praxis der „Sleeping Beauty“ und optisch berauschender Darstellung, die den Film so sehenswert macht. Denn obwohl das Drehbuch ganz offensichtlich auf einen Höhepunkt zusteuert (bei dem Lucy die Neugier übermannt, was mit ihr während ihrer Betäubung angestellt wird), wirken die einzelnen Szenen doch seriell und aneinandergereiht. Das entspricht eher künstlerischen Ansprüchen als den Sehgewohnheiten des Durchschnittsmenschen. Dennoch schafft Leigh es, das Interesse und die Spannung des Zuschauers konstant hoch zu halten. Davon abgesehen ist „Sleeping Beauty“ farblich mit seinen Pastelltönen so ansprechend gestaltet, dass es eine Wonne ist. Schon allein Brownings Porzellan-Teint, ihre makellose Haut und das rote Haar sind das Zuschauen wert.
Fazit: Ein brisantes Thema, eine beeindruckende Hauptdarstellerin und ein interessantes Drehbuch ergeben zusammen einen sehenswerten Film, der auch nach dem Schauen noch zu beschäftigen weiß.

Ähnliche Filme: MichaelThe Girlfriend ExperienceShame

In diesem Sinne,
eure J.

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