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Die Haut, in der ich wohne

Originaltitel: La piel que habito
Regie: Pedro Almodovár
Drehbuch: Pedro Almodovár
Score: Alberto Iglesias, Trentemoeller
Darsteller: Antonio Banderas, Elena Anaya, Marisa Paredes, Jan Cornet

Wertung: 94 %

- Packend-hypnotischer Thriller um Schönheit, Rache, Wahnsinn und Einsamkeit -

Robert Ledgard ist ein wohlhabender spanischer Chirurg, der wie besessen in seinem privaten Labor an einer widerstandsfähigeren menschlichen Haut arbeitet. Vor Kollegen behauptet er, an Mäusen zu testen, aber tatsächlich hält er in seiner Villa eine junge Frau gefangen. Das Verhältnis der Beiden zueinander ist unklar, fest steht nur, dass Vera nicht fliehen kann. Langsam, mittels Rückblenden, enthüllt sich jedoch die Wahrheit um Roberts tragische Vergangenheit und Veras Verbindung zu ihr.

Almodovár greift das klassische Doktor-Frankenstein-Motiv auf, stilisiert es jedoch und schafft eine kühle Ästhetik, die Inhalt und Form miteinander in Einklang bringt. Dabei ist sein Vorgehen eigentlich nicht neu: Dem Zuschauer wird zunächst eine Situation präsentiert, die er nicht verstehen kann. Da ist dieser wohlhabende, ehrgeizige Chirurg mit seiner Villa und seiner Haushälterin. Aber in dieser Villa, in einem videoüberwachten Zimmer, befindet sich die dünne, aber überaus schöne junge Vera. Es ist klar, dass sie eine Gefangene ist. Klar ist auch, dass sie Roberts Versuchskaninchen ist, dass er ihre Haut verändert. Mit malerischen Bildern fängt die Kamera diese Situation ein und löst beim Zuschauer sogleich unvermeidliche Fragen auf: Wer ist sie? Warum tut der Arzt ihr das an? Die Atmosphäre ist aufgeladen von Misstrauen und Wut.

Noch bevor Langeweile aufkommen kann, beginnt Almodovár mit den Rückblenden, die sechs Jahre zurückreichen und die Vergangenheit des Arztes beleuchten. Langsam wird der Zuschauer mit dem nötigen Wissen gefüttert, um das Vorangegangene – chronologisch Folgende – zu verstehen. Und wie bei jedem guten Thriller steigt das eigene Grauen mit jeder weiteren Wahrheit. Dabei lagert sich über das Grauen allein aber der virtuose Score von Antonio Iglesias, dessen zeitlose und dramatische Streicherarrangements fantastisch von der kühlen Elektronik Trentemoellers ergänzt werden. Schon die Musik allein ist den Film wert.

Was Die Haut in der ich wohne aber so fesselnd macht ist nicht seine Handlung allein. Aus dieser allein wäre ein mittelmäßiger Mediziner-Thriller geworden. Erst das Zusammenwirken von Farbe, Kamera, Schauspiel und Musik formen den Film zu einem rundum gelungenen Werk. Leider schafft Almodovár es erzähltechnisch nicht völlig, einige leise Zweifel an der Realitätsnähe des Drehbuchs zu unterbinden. Es bleibt immer die Frage im Hinterkopf, ob diese Geschichte sich wirklich so oder so ähnlich ereignen könnte. Dagegen können auch die beiden Hauptdarsteller Antonio Banderas (Robert) und Elena Anaya (Vera) nichts ändern. Banderas beweist einmal mehr, dass in ihm ein ebenso bescheidener wie guter Schauspieler steckt, der wesentlich mehr zu bieten hat, als Hollywood je von ihm verlangen würde. Die Zusammenarbeit mit Landsmann Almodovár macht ihm sichtlich Spaß. Er verkörpert den von Rachegelüsten getriebenen Chirurgen mit der nötigen Kälte und Besessenheit. Die in Europa eher unbekannte Elena Anaya überzeugt nicht nur mit ihrer physischen Präsenz und ihrem beängstigend-schönen Gesicht, sondern auch mit Einfühlungsvermögen in ihre zwiegespaltene Figur. Schade, dass das Drehbuch dennoch diese kleinen Fehler hat, die den Zuschauer zweifeln lassen (hier soll aber nicht zu viel verraten werden).

Fazit: Die Haut in der ich wohne ist ein faszinierender, ästhetischer Thriller, der die Grenzen seines Genres locker überwindet. Und obwohl die Handlung an sich schockierend genug ist, schafft es Almodovár dennoch, seine vielschichtigen Figuren in den Fokus zu rücken. Abgerundet wird das Ganze durch den beeindruckenden und mitreißenden Score, allem voran „Shades of Marble“ von Trentemoeller, denn das Lied hat echte Ohrwurmqualitäten.

In diesem Sinne herzallerliebste Grüße,
eure J.

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