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Kriegerin

Originaltitel: Kriegerin
Regie: David Wnendt
Drehbuch: David Wnendt
Score: Johannes Repka
Darsteller: Alina Levshin, Jella Haase

Wertung: 92 %

- Realistische und überzeugende Milieu-Studie mit starken Schauspieler -

Zwei junge Leben: Marisa ist Anfang zwanzig und gefällt sich darin, eine hasserfüllte Rechtsradikale zu sein. Ihr Leben besteht aus Aggression, Saufen und Gewalt. Svenja dagegen ist fünfzehn, intelligent und wächst behütet, aber unverstanden und unterdrückt auf. Als auch sie mit der rechten Szene in Kontakt kommt, sieht sie es als Chance, ihrem bisherigen Leben zu entfliehen. Währenddessen gerät Marisas Leben ins Wanken, nachdem sie einen Ausländer tötet, der ihr Auto beschädigt hat.

Es wurden bereits kritische Stimmen laut, dass der Film sich darin gefalle, Neonazis als dumme Sauf- und Raufbolde zu bezeichnen. Wer aber selbst mit der Szene auf irgendeine Weise in Berührung kommt, der weiß: Darauf läuft es meistens traurigerweise hinaus. Wnendt ist auch nach Aussagen eines Aussteigers ein realistisches Bild gelungen, das mit einem interessanten Handlungsverlauf den Zuschauer zu fesseln weiß.
Besonders in Ostdeutschland sind Rechtsextreme, Neonazis, Glatzen oder wie auch immer man sie nennt vor allem eins: ein beschämend aktuelles Problem. Die Gründe sind vielfältig. Die schlechte Arbeitslage, die tief sitzende Verunsicherung nach der Auflösung der DDR, der Wunsch nach Rückhalt und Gemeinschaft. Wnendt schafft es durch sich kreuzende Parallelhandlungen, viele dieser Punkte anzusprechen. Während seine „Kriegerin“ Marisa bereits fest in der Szene verankert ist, beobachten wir gleichzeitig, wie die junge Svenja erst hineingerät. Beides wirkt zu keinem Zeitpunkt übertrieben oder selbstgefällig. Wer glaubt, Wnendt übertreibe an irgendeiner Stelle, der spricht aus Unwissenheit. Viele junge Menschen geraten in die rechte Ecke, weil sie aus schlechten Familienverhältnissen stammen und sich nach einer geschlossenen, vereinten Gemeinschaft sehnen. Der Zuspruch der Gruppe nach jeder (illegalen) Tat bekräftigt sie, Ignoranz und fehlende Aufklärung lassen sie selbst die absurdesten Ansichten glauben. Nicht zuletzt kommt hinzu, dass ein Rückzug aus der Szene sehr schwierig ist. Oft richtet sich der Hass der ehemaligen „Freunde“ sofort gegen einen selbst.

Das sind auch die Erfahrungen und Eindrücke, die man aus dem Film ziehen kann. Alina Levshin trägt als Marisa den Film locker. Die übrigen Darstellungen wirken realistisch und nicht zu übertrieben, was sehr gut zum Thema passt. Kamera und Musik bleiben hier oft im Hintergrund oder sind handlungsbedingt (wie die rechtsradikalen Bands, die Marisa hört). Nur, wenn Marisa in ihre „Welt“ aus dem tristen Alltag als Kassiererin zurückkehrt, setzt ein treibender, elektrischer Score ein. Hier ist der Unterschied manchmal vielleicht ein wenig zu stark, zu gewollt.

Was hingegen nicht gewollt wirkt, sondern völlig überzeugend dargestellt wird, ist Marisas Gesinnungswandel. Nachdem (ähnlich wie bei American History X) zwei Ausländer ihr Auto beschädigt haben, sinnt sie auf Rache und drängt sie – auf dem Mofa fliehend – von der Straße. Am nächsten Tag ist nur noch einer der Beiden übrig. Der Gedanke, Jemanden getötet zu haben, erschüttert sie zutiefst. Als auch noch ihr geliebter (und ebenfalls rechts geprägter) Großvater stirbt, gerät ihre Welt endgültig aus den Fugen. Die Gruppe kann ihr keinen Rückhalt geben. Dass Marisa also nun vorsichtig eine Verbindung zu dem übrig gebliebenen Jungen aufbaut, scheint der einzige Ausweg und absolut logisch.

Fazit: Ein – leider – sehr realistischer Film, der Einblick in die Welt der Neonazis bietet, ohne sich darüber zu erheben. Statt den moralischen Zeigefinger auf seine Hauptfiguren zu richten, will der Film aufklären: Schaut mal, Leute, so ist es hier in Deutschland. So gibt er dem Zuschauer die Möglichkeit, sich über die Problematik der Rechtsradikalen (wieder) bewusst zu werden.

In diesem Sinne herzallerliebste Grüße,
eure J.

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