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Michael

Originaltitel: Michael
Regie: Markus Schlenzer
Drehbuch: Markus Schlenzer
Ton: Klaus Kellermann
Darsteller: Michael Fuith, David Rauchenberger, Christine Kain

Wertung: 89 %

- Sensibles Portrait eines psychisch gestörten Mannes und seines Opfers, das unter die Haut geht -

Auf den ersten Blick wirken sie wie Vater und Sohn: Michael und der zehnjährige Wolfgang essen zusammen zu Abend, sehen fern, gehen in den Zoo, puzzeln zusammen. Aber Wolfgang lebt hinter einer verschlossenen Tür in Michaels Keller – er hält ihn gefangen, um seine Neigungen an dem Jungen zu befriedigen. Während es zunächst scheint, als hätte sich der Junge mit seinem Schicksal abgefunden, steuern beide doch auf eine Katastrophe zu.

Das Thema Kindesmissbrauch und vor allem Entführung und Gefangenschaft von Kindern rückt derzeit wieder mehr in den Fokus der Öffentlichkeit (bei Tatort zum Beispiel). Wie Hitchcock es dereinst mit Psycho tat, so führt auch Markus Schlenzer das Grauen und die Perversion direkt in unsere Häuser. Er ist dabei aber nicht auf Schockmomente aus, sondern versucht, ein möglichst feinfühliges Bild zu zeichnen. Was ihm erstaunlich gut gelingt.

Der Film schafft es vor allem dank der sparsamen Musik und der ruhigen Kamera, jeden Eindruck von Spektakel im Keim zu ersticken. Es sind die Eindrücke vom Zusammenleben der beiden Hauptfiguren, die hier zählen: Das Bild der verschlossenen Tür, hinter der Wolfgangs Zimmer liegt. Michaels merkwürdig anmutenden Versuche, den Jungen wie einen Sohn zu behandeln. Die ahnungslosen Arbeitskollegen und Familienmitglieder. All das formt sich zu einer spannenden, aber realitätsnahen Geschichte. Immer wieder kommt es zu Problemen. Als Wolfgang krank wird, ist Michael so aufgelöst, dass er beim Weg zur Apotheke von einem Auto angefahren wird und über Nacht im Krankenhaus bleiben muss. Sofort sind die Gedanken des Zuschauers bei Wolfgang: Er ist ganz allein, es geht ihm schlecht und da ist Niemand, der ihm hilft.

Zu dem stimmigen Eindruck des Films tragen auch die Darsteller bei. Michael Fuith (Michael) und David Rauchenberger (Wolfgang) spielen ihre Rollen mit Gefühl und Intensität. Fuith zeigt die unterschwellige Kontrollsucht seiner Figur ebenso, wie seine Sehnsucht nach einem familiären Gefüge, ohne dabei den Zuschauer auf seine Seite zu ziehen. Der junge Rauchenberger steht seinen erwachsenen Kollegen in nichts nach. Er wirkt weder zu erwachsen noch künstlich – eine beachtliche Leistung für einen Zehnjährigen.
Angenehm überraschend (vor allem nach Filmen wie den Stieg-Larsson-Verfilmungen) auch der Verzicht darauf, alles zu zeigen. Hier nutzt Schlenzer die Möglichkeiten des Kinos: Eben nicht alles darstellen zu müssen, sondern bei dezenten Andeutungen zu bleiben. Die Momente zwischen Michael und Wolfgang sind auch ohne explizite Darstellungen bedrückend genug. Im Gegensatz dazu steht der dokumentarische Charakter des Films. Oft gibt es keine erzähltechnischen Erklärungen für die gezeigten Szenen, sie sprechen für sich. Der Zuschauer wird so in die Position eines aufmerksamen Beobachters gelenkt. Auf diese Weise entsteht die nötige Distanz, die es braucht, um sich einem derart aufwühlenden Thema überhaupt nähern zu können.

Fazit: Ein beeindruckender Film, der seinen schwierigen Inhalt auf sehr passende und angemessene Art transportieren kann. Dennoch sicherlich kein Film für Massen, sondern für Interessierte.

In diesem Sinne,
eure J.

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