Cloud Atlas
Originaltitel:
Cloud Atlas
Regie:
Tom Tykwer, Andrew und Lana Wachowski
Drehbuch:
Tom Tykwer, Andrew und Lana Wachowski
Score:
Tom Tykwer, Johnny Klimek, Reinhold Heil
Darsteller:
Tom Hanks, Halle Berry, Ben Wishaw, Hugh Grant, Jim Broadbent, Hugo Weaving,
Susan Sarandon, Doona Bae, Adam Ewing
Wertung:
91 %
-
Bildgewaltige, berauschende Hommage an das Geschichten-Erzählen
und an den Film –
Sechs Schicksale, sechs Zeiten: Cloud Atlas erzählt eine
visuell umwerfende Geschichte über Liebe und Entdeckung, Wiederkehr und
Rebellion. Vom 19. Jahrhundert bis weit in die Zukunft tauchen dabei
verschiedene Charaktere auf, die immer wieder vom gleichen Cast dargestellt
werden.
Wer das Kino als „Was-wäre-wenn“-Medium liebt, der sollte
sich Cloud Atlas nicht entgehen lassen. Denn dem ungewöhnlichen Trio
Wachowski/Tykwer ist eine fantastische Reise durch die Zeiten gelungen, bei der die Darsteller
interessanterweise die Kontinuität wahren.
Der Spaß entsteht hierbei auf verschiedenen Ebenen. Zum
Ersten wäre da der äußerst namhafte Cast, blendend aufgelegt und wandelbarer
denn je. Und das muss er auch sein, denn jeder der Darsteller übernimmt
zwischen drei und sechs verschiedene Rollen, die jeweils in einer anderen
Epoche spielen. Was für ein Vergnügen, unter der herausragenden Maske die durch
Film und Fernsehen bekannten Gesichter wiederzuerkennen, wenn sie in einer
Sekunde noch ein aalglatter Atomkraft-Sprecher waren, in der nächsten aber dann
Anführer eines postapokalyptischen Kannibalenstammes sind. Die Besetzung wurde
hierbei so gedreht, dass die meisten Darsteller in unterschiedliche Charaktere
schlüpfen dürfen und auch mal gegen ihr Image oder ihr Geschlecht besetzt
wurden. Beeindruckend ist jeder von ihnen, besonders köstlich aber sicher Hugo
Weavings Auftritt als resolute Krankenschwester!
Das Spiel mit den Geschlechterrollen hebt sich angenehm
aus dem Einerlei der geschlechtsspezifischen Besetzung ab, bei der Frauen eben
nur Frauen spielen und Männer nur Männer. Hiermit setzt Lana Wachowski (zu
Matrix-Zeiten noch als Larry Wachowski bekannt) ein deutliches und gleichzeitig
lockeres Zeichen für gender mainstreaming.
Das gelingt vor allem deswegen so gut, weil Maske und
Kostüm in diesem Film einfach umwerfend sind. Natürlich kann es gefährlich
schnell in Richtung Ulk gehen, wenn ein Mann eine Frau spielt oder umgekehrt.
Dies ist aber bei Cloud Atlas überhaupt nicht der Fall, da nicht jede
gegengeschlechtlich besetzte Rolle lustig angelegt ist. Im Gegenteil, manche
Schauspieler fallen dem Zuschauer erst auf, wenn der Film schon vorbei ist. Es
sind aber nicht nur diese Rollen, bei denen Maske und Effekte positiv
auffallen. Jede Epoche, jeder Handlungsstrang hat seinen eigenen, historisch
passenden Look, in den sich die Darsteller auf natürliche Weise einfügen.
Alterungsprozesse, Frisuren, Schminke, Tattoos… jedes Detail wurde
berücksichtigt. So entsteht ein rundes, stimmiges Bild jeder einzelnen Zeit,
obwohl sich die Schauspieler wiederholen. Zusammen mit den bereits
besprochenen, grandiosen darstellerischen Leistungen jedes Einzelnen ergibt das
einen Riesen-Spaß, der für nötige Kurzweil sorgt.
Die Sequenzen an sich beschreiben dabei eher weniger
außergewöhnliche Geschichten. Menschen verlieben sich, werden verraten, kämpfen
ums Überleben, entdecken eine bis dahin unbekannte Wahrheit. Die Sequenzen an
sich tragen also nicht zwangsläufig zur Qualität des Filmes bei. Es sind
stattdessen die Montage, der Erzählrhythmus und die inhaltliche Verknüpfung,
die die erzählte Geschichte interessant machen. Dabei wird die Maxime aus dem
Trailer „Alles ist verbunden“ nicht gänzlich eingehalten – was sich wider
Erwarten positiv auf dem Gesamteindruck auswirkt. Statt krampfhaft jede Epoche zu
verknüpfen wurden nur dort Verweise auf frühere oder spätere Ereignisse
eingearbeitet, wo sie auch sinnvoll scheinen. Erfrischend auch die Idee, die
hauptsächlich gewichtigen und ernsten Strecken mit einer sehr witzigen
Sequenz zu kombinieren. Auf diese Weise wird nicht nur der gesamte Film
aufgelockert, sondern auch sein Pathos angemessen begrenzt.
Zusätzlich zur Maske glänzt Cloud Atlas auch mit
ausgereiften visuellen Effekten, die vor allem die Sequenzen der Zukunft glaubwürdig
und interessant machen. Während der wohldosierten Action-Szenen entstehen so
stimmige Bilder, bei denen man nicht darüber nachdenkt, was nun echt und was
computeranimiert ist. Nichts anderes gilt es aber auch zu erwarten, wenn die
Wachowski-Geschwister ihre Hand im Spiel haben. Kamera und Musik wirken gegen
diese technische Ausgereiftheit beinahe mittelmäßig. Beides unterstützt gekonnt
den Erzählfluss, ohne aber als eigenständiger Teil des Films herauszustechen.
Fazit: Cloud Atlas ist ein visueller Rausch und ein
großer Schau-Spaß, der nicht unnötig in die Tiefe geht. Wer inhaltlich eine
Offenbarung erwartet, wird sicherlich enttäuscht sein. Allein die verschiedenen
Rollen der Darsteller, der tolle Schnitt und die interessanten Zukunftsvisionen
machen diese kleine Schwäche aber mehr als wett.
In diesem Sinne,
eure J.
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