Colossal

Originaltitel: Colossal
Regie: Nacho Vigalondo
Drehbuch: Nacho Vigalondo
Score: Bear McCreary
DarstellerInnen: Anne Hathaway, Jason Sudeikis, Dan Stevens


Wertung: 93 %

  • Originelle, kleine und feine Geschichte über die Monster in uns allen –


Gloria lebt mit ihrem Freund in einer schicken Wohnung in New York, aber sie ist arbeitslos, trinkt zu viel und lässt sich von ihm kontrollieren und niedermachen. Als er sie vor die Tür setzt, zieht sie notgedrungen in das leerstehende Haus ihrer Eltern, irgendwo in einer amerikanischen Kleinstadt. Dort kommt sie schnell bei ihrem alten Schulfreund unter, der inzwischen eine Bar hat. Gleichzeitig taucht in Seoul ein riesiges Monster auf, das dort einige Verwüstung anrichtet und sich daraufhin wieder dematerialisiert. Als Gloria das Monster im Fernsehen sieht, erkennt sie erschreckende Parallelen…

Ich mach es kurz: Der Film ist klasse. Er erzählt eine originelle Geschichte, die weder Remake noch Sequel noch Comic-Adaption ist, zeigt lebensnahe und glaubwürdige Figuren, ist ebenso witzig wie erschreckend und hat auch noch die nötige popkulturelle Intertextualität beziehungsweise Referenz, um die heute sowieso keiner mehr herumkommt. In diesem Fall ist das natürlich Godzilla, auch wenn das Monster in Seoul auftaucht und nicht in Tokio. Und wie bei Godzilla so ist auch das Monster in Colossal nur auf den ersten Blick eine Bedrohung. Bei Colossal wird das Monster zur Metapher für uns alle: für unsere Unzulänglichkeiten, für Kontrollverlust. Das ist ein bisschen Vorschlaghammer, aber der Film wäre ja auch nicht so gut, wenn er da stehen bleiben würde. Und er würde auch nicht so viel Spaß machen, wenn Vigalondo seine Metapher nicht auch ein bisschen wörtlich nehmen würde und so die Möglichkeit nutzt, einige herrlich dramatische Monster-Showdowns zu inszenieren. Besonders in diesen augenzwinkernden Momenten ist Anne Hathaway der schiere Spaß an der Rolle der Gloria anzumerken. Dann kommt fast ein bisschen Pacific-Rim-Gefühl auf, wenn Vigalondo klassisch-dramatische Filmmusik unter die – scheinbar – banalsten Filmsequenzen legt, nur um sie dann zusammen mit Blitz, Donner und überraschend ordentlichen Effekten wieder aufzugreifen.

Der Film erinnert ein bisschen an Swiss Army Man: Auch hier wurde eine so skurille, neuartige Geschichte erzählt, dass selbst die experimentierfreudigsten Comic-Adaptionen dagegen zum langweiligen Einheitsbrei zerglibbern. Denn anders als Figuren wie Deadpool, die nur scheinbar patriarchale Muster aufbrechen, gehen die Figuren in Colossal oder Swiss Army Man wirklich über gesellschaftliche und/oder gengretypische Grenzen und Normen hinaus. Es handelt sich zwar immer noch um weiße Hetero-Menschen, aber diese Menschen beschreiten neue Wege, zeigen uns eine Stärke, die von innen heraus kommt und durchaus für Irritationen sorgen kann. In beiden Filmen werden Anteile der Persönlichkeit der jeweiligen Hauptfigur auf groteske Weise externalisiert, einmal in Form einer sprechenden Leiche und dann in Form eines riesigen Monsters. Dadurch visualisieren diese Filme das, worüber sie erzählen, auf ganz andere Art – sie zeigen Alternativen zur filmischen Darstellung zwischenmenschlicher Geschichten generell auf.

Dass die Geschichte, die Colossal erzählt, trotzdem packend ist und auch auf emotionaler Ebene funktioniert, liegt natürlich an den Figuren, die dort gezeigt werden – und wie sie gezeigt werden. Und das geschieht angenehm unperfekt. Anne Hathaway ist natürlich eine wunderschöne, schlanke Frau, immerhin läuft sie aber nicht durch das Bild, als sei sie gerade aus dem Ei gepellt worden (insbesondere dann nicht, wenn sie auf einer Luftmatratze ohne Luft geschlafen hat). Auch was die Entscheidungen und das Agieren der Figuren angeht, verschwimmen die Grenzen zwischen Gut und Böse, wird nicht mit dem moralischen Zeigefinger hantiert. Weniger geht es um die Fehler oder Makel eines Menschen, als vielmehr seinen Umgang damit und seinen Umgang mit anderen. Nur im epischen Finale wird dann doch eine wichtige Grenze gezogen, die zwar nicht besonders überraschend ist, es aber natürlich auch nicht sein kann. Denn wir alle wissen ja, dass Selbstzerstörung auch immer andere verletzt und dass wir nicht gut sein können, wenn wir nicht gut zu uns selbst sind. So gesehen transportiert der Film also eine relativ unspektakuläre Aussage. Manchmal ist eben die Form spektakulärer als der Inhalt. Manchmal ist das aber auch gar nicht schlimm. Für alle ZuschauerInnen, die die ewig glatt gebügelten Supermenschen in – machen wir uns nichts vor, meist amerikanischen – Produktionen nicht mehr sehen können, bieten die Darstellungen rund um Hathaway und SNL-Veteran Jason Sudeikis jedenfalls eine willkommene Abwechslung. Besonders Sudeikis beweist, dass er durchaus mehr zu bieten hat als nur den Pausenclown.

Darüber hinaus ist das CGI für eine kanadisch-spanische Co-Produktion ohne Millarden-Dollar-Budget überzeugend und durchaus ansehnlich geraten, wird allerdings auch von Vigalondo ebenso sparsam wie effektiv eingesetzt. Es funktioniert im Zusammenspiel mit der exzentrischen Bildsprache, die sich auch gerne Mal Richtung Das Ding aus dem Sumpf verneigt.

Fazit: Wer zur Abwechslung mal wieder glaubwürdige und menschliche Charaktere sehen will, auf Riesenmonster und popkulturelle Anspielungen aber nicht verzichten möchte, für den ist Colossal genau das Richtige. Der Film überzeugt mit einer originellen Geschichte, vergisst dabei aber nicht seinen Unterhaltungswert. Könnte einer meiner Lieblingsfilme werden…

In diesem Sinne
eure J.

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