Avengers: Infinity War

Originaltitel: Avengers: Infitiy War
Regie: Anthony und Joe Russo
Drehbuch: Christopher Markus, Steven McFeely
Score: Alan Silvestri
DarstellerInnen: Robert Downey Jr., Chris Evans, Scarlett Johannson, Josh Brolin, Elisabeth Olsen, Chadwick Boseman 


Wertung: 85 %

– bombastischer Auftakt zum großen Avengers-Finale –


Der Tag ist gekommen: Thanos, der intergalaktische Bösewicht, sammelt die Infinity-Steine zusammen, um mit deren unbändiger Macht die Hälfte des Universums zu zerstören. Nicht nur die Avengers auf der Erde stellen sich ihm in den Weg, sondern auch die Guardians of the Galaxy. Die Frage ist nur: Können sie einen übermächtigen Gegner wie Thanos überhaupt aufhalten? Insbesondere, nachdem der Civil War die Rächer in zwei Lager gespalten hatte?

Aller Anfang ist bekanntlich schwer. Der Infinity War ist da, er beginnt. Dem Publikum bieten sich beeindruckende Schlachten, bizarre Weltraumlandschaften, ein ziemlich böser Bösewicht und Helden am Limit. Aber: Heißt das auch, dass der Infinity War ein guter Film geworden ist? Die Frage ist nicht leicht zu beantworten. Das liegt zum Einen an der unglaublichen Arbeit, die die Marvel Studios hineingesteckt haben – nicht nur in die zahlreichen Filme vorweg, sondern auch in unsere emotionale Bindung an zentrale Helden. Wem Captain America zu rechtschaffen ist, der konnte sich immerhin noch mit der erfrischend poppigen 80er-Jahre-Party anfreunden, die Thor: Ragnarök darstellte. Und wem der Gott des Donners zu abgespacet war, der fühlte eben mit Publikumsliebling Tony Stark, alias Iron Man. Es macht daher auch Sinn, diese drei Figuren immer wieder in den Mittelpunkt der Handlung zu rücken. Zum Anderen macht es ebenfalls Sinn, ihnen nicht nur einen beeindruckenden und starken, sondern auch vielschichtigen Bösewicht gegenüberzustellen, dessen Motivation zwar simpel erscheint, eine schlichte Kategorisierung aber schwierig macht: Thanos handelt nicht aus Willkür oder Sadismus, sondern Überzeugung. Er will ein gutes Leben für alle. Und da „alle“ nun mal zu viele sind, ist es nur logisch, dass er Überbevölkerung mit Dezimierung begegnen will. Eben um die Hälfte. Für einen Superschurken seiner Gewichtsklasse und das MCU ist die Figur damit schon recht komplex geraten. 

Zudem merkt man dem Film, wie jeder Marvel-Produktion, nicht nur das ungeheure Budget an, sondern auch, dass es durchweg sinnvoll und wohl überlegt eingesetzt wird. Anders als bei der unsäglichen Justice League erkennen wir Darsteller Josh Brolin auch hinter dem Motion Capture CGI. Und im Gegensatz zum DC-Oberbösewicht war Thanos bereits seit Jahren Schritt für Schritt in die Handlung des MCU eingeführt worden. Zunächst noch ein nettes Gimmick für Hardcore Fans, spätestens seit den Guardians aber auch für Newbies eine Google-Aktion wert. Durch die Verbindung zu Gamora liegt in dem Konflikt auch dramatisches Potenzial, das über die oft recht abstrakte Bedrohung der ganzen Welt hinaus geht. Und anders als bei der Justice League schlägt der Infinity War keinen völlig neuen, unbekannten Ton an – obwohl er natürlich deutlich düsterer und brutaler geworden ist als die letzten Filme, die vornehmlich durch den Erfolg der Guardians of the Galaxy bunter und leichtfüßiger geraten waren. 

Und dennoch, trotz all der Emotionalität, des Heldentums und der scheinbaren Endgültigkeit des Films krankt der Infinity War an zahlreichen Schwächen, die den Gesamteindruck stören. 


++++++ SPOILER! ++++++


Da wäre zuerst einmal das Ende: So überraschend, packend und schockierend der Tod von 50 Prozent der Figuren auch inszeniert sein mag, so bedeutungslos ist er eben auch. Der Grund: Doctor Strange ist nicht umsonst im Besitz des Zeit-Steins, blickt in alle möglichen zukünftigen Entwicklungen und betont, dass er den Stein niemals gegen ein Leben der Avengers eintauschen würde. Was passiert, nachdem er in die Zukunft geschaut hat? Er tauscht das Leben von Tony Stark gegen den Zeit-Stein ein. Somit weiß das Publikum bereits, dass dies nicht endgültig sein kann. Das ist nach 10 Jahren MCU irgendwie unbefriedigend, denn in diesem knallbunten Helden-Universum will ja einfach nie irgendjemand sterben, egal, wie ausweglos die Situation ist (kleinere Nebenrollen ausgenommen). Der Infinity War ist das Endspiel, die letzte Chance, bereits durchgekaute Geschichten zu einem würdigen Abschluss zu bringen. Wer jetzt die Notbremse zieht, bringt die etablierten Figuren genau um dieses würdevolle Ende. Bleibt also einerseits zu hoffen, dass das Problem im zweiten Teil sinnvoll aufgelöst wird und – so makaber das klingen mag –, dass einige alteingesessene Avengers ihren Frieden finden. Davon abgesehen sind bereits einige Dreharbeiten zu weiteren Filmen angekündigt, die einen Tod der betroffenen Hauptfigur quasi unmöglich machen. 

Zweites logisches Problem: die Post-Credit-Scene. Clever und angemessen war es ja schon, diesmal nur eine einzige zu zeigen, und auch erst ganz am Ende des Films. Da fühlt man sich als Zuschauerin der ersten Stunde doch gleich irgendwie wert geschätzt. Wer braucht schon diese Post-Orgien a la Guardians of the Galaxy Vol. 2? Früher, ja, damals! Da mussten wir immer bis ganz zum Schluss sitzen bleiben, wenn wir noch was sehen wollten! Damals, vor dem Krieg. Und jetzt kommt wieder das Aber: Im letzten Moment Captain Marvel auf den Plan zu rufen, führt zu logischen Schwierigkeiten. Erstens: Warum kontaktiert Nick Fury die mächtigste Figur des MCU nicht bereits viel früher? Zweitens: Wie spannend kann ein Kampf zwischen Thanos und Captain Marvel eigentlich noch werden? Schließlich gibt es ja nichts, was diese Frau nicht kann. Dass Fury einen Pager verwendet, deutet auf den kommenden Captain-Marvel-Film hin, der in den 90ern spielen soll. Aber wenn Fury Marvel bereits vor den Avengers kannte, warum hat er sie nie hinzugezogen? Klar, 2008, als Iron Man die Kinos begeisterte, war noch nicht klar, welche Ausmaße das MCU annehmen könnte. Aber spätestens mit der Einführung von Thanos als Superbösewicht hätten Fragen nach Captain Marvel laut werden müssen. Böse Unterstellung: Vor dem Erfolg von Wonder Woman glaubte einfach keiner der Studio-Bosse an einen Solo-Film mit einer weiblichen Hauptfigur. Da haben Whedon und die Russo-Brüder also noch allerhand Logik-Löcher zu füllen.

Wie gut, dass wir uns aber auch während des Films immer wieder ins Fäustchen lachen dürfen. Zum Beispiel beim besten Cameo-Auftritt der MCU-Geschichte. Nein, ich rede nicht vom obligatorischen Stan Lee, sondern von einer (Achtung, Wortwitz) riesigen Überraschung. Ich stelle mir das Telefonat so vor: „Peter, would you like to play a dwarf in the upcoming Infinity War?“ „No way, guys! I’m over this shit.“ „It would be a giant dwarf, forging a weapon for Thor with the energy of a star.“ „Okay, I’m in.“


++++++ SPOILER ENDE! ++++++


Das zweite große Problem des Films ist, dass er im Grunde nur eine Basis, ein Trailer für den zweiten Teil sein kann. Dutzende Nebenhandlungen werden eingeführt, jeder Avenger ist irgendwo anders im All unterwegs. Und auch, wenn sie sich zur ersten großen Finalschlacht zusammenraufen, zerstückelt dieses Vorgehen den Film in viele kleine Elemente. Selbst der beste Montage-Meister der Welt hätte sicherlich so seine Probleme damit, die schiere Anzahl und Komplexität der einzelnen Stränge sinnvoll und filmisch ansprechend zu verknüpfen. So weiß das Publikum oft kaum, wo ihm der Kopf steht – Reizüberflutung droht. Bleibt beim zweiten Mal Schauen also abzuwarten, was übrig bleibt, wenn der erste Wow-Effekt verflogen ist. 

Womit der Film dagegen punkten kann, sind Effekte, die wirklich State of the Art sind und derart mühelos in die einzelnen Kämpfe eingeflochten werden, dass kommende Action-Filme es sicherlich schwer haben werden, das Niveau zu halten. Es geht nicht mehr darum, aktiv und bewusst zu zeigen, was technisch möglich ist. Es wird einfach getan. Damit ist der Infinity War vielleicht am nächsten dran an der Fantasie all der Fans, egal, ob groß oder klein. Einzig die Umsetzung der einzelnen Infinity-Steine und ihrer Macht ist Marvel-typisch viel zu konventionell geraten. Hallo? Der Typ kann die Realität kontrollieren und alles, was ihm einfällt, ist aus Munition Seifenblasen zu machen (was eigentlich ziemlich pazifistisch von ihm ist) oder zerstörte Orte heil aussehen zu lassen (was irgendwie auch was Nettes an sich hat). Ähnlich wie bei Ego in den Guardians of the Galaxy Vol. 2, der als intelligenter Planet nichts besseres zu tun hatte, als riesige Steinfäuste aus sich selbst zu formen, verschenkt Marvel auch bei den Infinity-Steinen kreatives Potenzial. Schließlich sollen die Helden sich auf die Fresse hauen. Und by the way: Warum benutzt Doctor Strange den Zeit-Stein nicht von Anfang an, um die Ankunft von Thanos rückgängig zu machen? Und wenn schon nicht das, so lässt sich wenigstens noch auf etwas mehr Dimensionen-Magie im zweiten Teil hoffen, die den Film Doctor Strange visuell so beeindruckend machten.

Neben den Effekten, der Stringenz der Handlung und der Montage sind es natürlich vor allem auch die DarstellerInnen, die den Film tragen und über Sieg oder Niederlage entscheiden. Natürlich ist ein Großteil der Leistungen inzwischen mehr als routiniert. Was man dem gigantischen Cast jedoch zugute halten muss, ist dass die einzelnen Figuren über sämtliche Filme hinweg eine kontinuierliche und glaubhafte Veränderung durchlaufen. Da gibt es keine Sprünge und Brüche im Charakter, wie es bei dem plötzlich superlustigen Superman der Fall war, der zwischen Batman V Superman und Justice League ohne Angabe von Gründen Humor entwickeln musste. Eine Vielzahl der MCU-Figuren hat sowieso humoristisches Potenzial, das auch im Infinity War wohldosiert eingeflochten wurde. Aber die Figuren durften sich eben treu bleiben. Und das führt auch zu einer überzeugenderen Darstellung durch die SchauspielerInnen. 

Fazit: Obwohl der Film die Erwartungen der Fans erfüllen und teilweise vielleicht sogar übertreffen kann, fehlt ihm ein stimmiger Handlungsaufbau und insbesondere zum Ende hin ein wenig die Logik. Es bleibt zu hoffen, dass der zweite Teil des Infinity War diese Schwächen ausgleichen und das MCU, wie wir es heute kennen, zu einem würdigen Abschluss führen kann.

In diesem Sinne,

eure J.

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