Chappie
Originaltitel: Chappie
Regie: Neill Blomkamp
Drehbuch: Neill Blomkamp, Teri Tatchell
Score: Hans Zimmer, Die Antwoord
Darsteller: Sharlto Copley, Hugh
Jackman, Sigourney Weaver, Die Antwoord, Dev Patel
Wertung: 65 %
- Kurzsichtiger und vorhersehbarer,
aber auch optisch brillanter Blick in die Roboterzukunft -
In naher Zukunft bekommt die Polizei
Johannesburgs Unterstützung von den „Scouts“, autonomen
Robotern, die rasch die Kriminalitätsrate senken. Ihr Entwickler
Deon ist aber längst einen Schritt weiter und arbeitet an einer
künstlichen Intelligenz, die er schließlich zusammen mit dem
Gangstern Yolandi, Ninja und Amerika an einem schrottreifen Scout
ausprobiert. Ergebnis ist der lernfähige, kindliche Chappie. Während
Ninja ihn für einen Überfall benutzen will, ruft der Roboter Neider
auf den Plan, die an ganz anderen Projekten arbeiten...
Man muss dieser Kritik eins vorweg
schicken: Der Film gewinnt höchstwahrscheinlich an Witz und
Charakter, wenn man ihn im englischsprachigen Original sieht. Auf
Deutsch verliert er beides auf ganzer Linie.
Schon seit District 9 ist die
körperliche Transformation für Neill Blomkamp ein ganz zentrales
Thema. Das Hineinversetzen in den Körper eines Geächteten, die
Maschinisierung des Menschen – beides kennen wir aus seinen zwei
Vorgängerwerken. Auch diesmal hält Blomkamp ein Plädoyer für
Verständigung, Toleranz und Menschlichkeit, allerdings eher auf dem
Niveau eines Disney-Films, wovon dem Zuschauer eher Zahnschmerzen
statt Einsichten drohen.
Das ganze Konzept „Chappie“ ist
schlicht zu kurzsichtig und zu Sympathie heischend angelegt, um aus
dem Film einen vollwertigen Science-Fiction zu machen. Chappie selbst
wirkt wie eine Mischung aus Nummer 5 und Wall-E, der sich so
knuffig-kindlich verhält, dass es stellenweise kaum auszuhalten ist.
Die bedrohlichen Komponenten einer künstlichen Intelligenz fallen
hier komplett unter den Tisch. Stattdessen drücken Blomkamp und
Tatchell immer wieder ordentlich auf die Tränendrüse, wenn der
hilflose Chappie von Menschen angegriffen und misshandelt wird. Es
ist schade, dass die beiden aufgrund der eindeutigen Darstellung hier
so viel Partei ergreifen und so viel Moral versprühen, dass gar
nicht erst die Frage aufkommt, wie man mit einem derartigen Wesen
umzugehen habe. Die Antwort ist immer schon gegeben.
Aber apropos Antwort: Absolutes
Highlight des Films sind natürlich die beiden südafrikanischen
Trash-Rapper Die Antwoord, die die Gangster Yolandi und Ninja
spielen. Allein hierfür lohnt sich wahrscheinlich das englische
Original, da gerade Yolandi mit einer viel zu tiefen Frauenstimme
synchronisiert wurde. Doch auch von den beiden wäre wesentlich mehr
Witz und Skurrilität zu erwarten gewesen. Stattdessen sind ihre
Charaktere schmerzhaft eindimensional angelegt (was übrigens für
sämtliche Charaktere in Chappie gilt) und dabei gleichzeitig so weit
auseinander, dass man sich fragt, weshalb sie überhaupt zusammen
leben. Ihr Kumpel Amerika steuert dazu auch keine weiteren
dramaturgischen Elemente bei, sondern ist nur lustig anzusehen.
Einziger Glanzpunkt ist die Sequenz, in der Ninja Chappie dazu
bringt, für ihn Autos zu klauen, was eben nicht einer extremen
Ironie entbehrt, schließlich ist Chappie ja ein Polizist.
Weiteres Potenzial, das einfach liegen
gelassen wurde: Sigourney Weaver als toughe Lady und Hugh Jackman als
konservativer Waffennarr (und somit klarer Seitenhieb auf die USA).
Beide spielen ihre (ebenfalls simplen) Rollen zwar überzeugend,
bekommen aber absolut keine Möglichkeit, ihre schauspielerischen
Fähigkeiten zum Einsatz zu bringen. So erging es bereits Jodie
Foster in Elysium und so wird es wohl auch allen weiteren Größen
des Kinos gehen, die für Blomkamp immer die gleiche Rolle übernehmen
dürfen.
Ebenfalls verschenkt wurde der im
wesentlichen zu präsente und schwermütige Score von Hans Zimmer
sowie die Beats von Die Antwoord, die immer wieder off- und on-screen
zu hören sind. Während Zimmer eben passend zum Gesamteindruck
mittelmäßigen Stoff liefert, hätten Songs wie Cookie Thumper oder
Baby´s on Fire wirklich Stimmung machen können. Leider passt der
Schnitt der entsprechenden Sequenzen überhaupt nicht zum Rhythmus
der Musik, sodass die Unterlegung beliebig wie lieblos wirkt.
Wirklich schade, da das Duo sicher den ein oder anderen Fan ins Kino
gelockt hat.
Wirklich gelungen ist in Chappie
eigentlich nur Chappie selbst, zumindest bezogen auf sein Äußeres.
Sharlto Copley, der mit Blomkamp zusammen berühmt wurde, leiht dem
Roboter nicht nur seine Stimme, sondern auch seinen Körper. Das
immer beliebter werdende Motion-Capturing wurde hier mal wirklich
brillant eingesetzt und Chappie wirkt so greifbar und echt, dass man
nicht eine Sekunde an ihm zweifeln mag. Mit bloßem Auge sind die
animierten Roboter einfach nicht mehr von ihrer realen Umgebung zu
unterscheiden.
Ebenfalls überzeugend ist das
knallbunte und doch dreckige Setting in Johannesburg. Wie schon in
District 9 und Elysium erfrischen der Fokus weit ab von Amerika
(oder gar New York, Hollywoods Lieblings-Spielplatz) und der trashige
Achtziger-Jahre-Look, der vor allem von Die Antwoord vorgegeben und
perfektioniert wird. Blomkamp schafft es hierbei, eine stimmige und
runde eigene Welt zu kreieren, die sich mal wieder vom
Hollywood-Einheitsbrei anzuheben vermag.
Fazit: Ein Thema wie künstliche
Intelligenz und menschliches Bewusstsein verlangt nach wesentlich
mehr Reflexion, als Chappie sie anbieten kann. Stattdessen holpert
der allzu liebenswerte Roboter durch einen vorhersehbaren Plot, den
auch Die Antwoord nicht zu tragen vermögen. Schauspielgrößen wie
Sigourney Weaver oder Hugh Jackman dürfen dabei in keiner Sekunde
ihr ganzes Potenzial entfalten und verkommen zu schlichten
Nebendarstellern. Immerhin die Animation und allgemeine Optik können
auf ganzer Linie überzeugen.
In diesem Sinne,
eure J.
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