The Imitation Game - Ein streng geheimes Leben
Originaltitel: The Imitation Game
Regie: Morten Tyldum
Drehbuch: Graham Moore
Score: Alexandre Desplat
Darsteller: Benedict Cumberbatch, Keira
Knightley, Matthew Goode, Charles Dance
Wertung: 90 %
- Feinfühlige Charakterstudie mit Sinn
für emotionale Zwischentöne wie auch historische Relevanz -
Während des Zweiten Weltkrieges stehen
die Alliierten den Angriffen seitens der Deutschen recht wehrlos
gegenüber, da diese ihre Nachrichten mittels der berüchtigten
Enigma-Maschine verschlüsseln. Um den Code zu knacken, stellt das
britische Militär den Mathematiker Alan Turing ein, der zwar
schließlich einen Weg findet, Enigma zu besiegen, gleichzeitig aber
sozial unfähig scheint, mit seinen Kollegen zusammen zu arbeiten –
zumindest, bis er die clevere Joan Clarke einstellt.
Die britische Historikerin Alex von
Tunzelmann bezichtigt The Imitation Game böser Nachrede, da der Film
– welch Überraschung – nicht alle Einzelheiten von Turings
geheimen Wirken rund um die Enigma korrekt darstelle. Sie hält sich
dabei vor allem bei dem Thema russischer Spione auf und dass Turing,
um seine Homosexualität geheim halten zu können, einen von ihnen im
eigenen Stützpunkt schützen musste, was tatsächlich nicht der Fall
war. Sie exerziert den gesamten Film in einem Artikel für den Guardian durch, immer auf der Suche nach historical incorrectness.
Doch was ist, kann und sollte ein
historischer Film? Zuallererst ist ein Historiendrama wie The
Imitation Game ein Spielfilm. Historiker wie Tunzelmann verschwenden
immer und immer wieder ihre Energien darauf, solche Filme auf ihre
historische Korrektheit abzuklopfen und beschweren sich gern und
lauthals, wenn sie dabei auf „Fehler“ stoßen. Dabei legen sie
gern eine Art Besserwissermentalität an den Tag, die vermutlich ihre
Fähigkeiten und ihr Fachwissen unterstreichen soll. Dabei übersehen
sie aber, dass der Blick der Forschung – sei er nun historisch,
kulturwissenschaftlich oder interdisziplinär – längst in eine
andere Richtung geht. Was sind historische Fakten? Schreiben
Historiker „die Wahrheit“ in ihren Publikationen oder nähern sie
sich ihr nur mittels einer von ihnen gewählten Narrative? Wäre dies
der Fall, so wären Spielfilme nichts weiter als eine alternative
Narrative, die neben der historischen Forschung parallel existiert.
Letztlich müsste der Rezipient entscheiden, welche er für
wahrscheinlicher hält.
Es ist gar nicht nötig, die
historische Forschung derart in Frage zu stellen, um einen Film wie
The Imitation Game dennoch zu schätzen und genießen zu können.
Kritiker wie Tunzelmann vertrauen schlicht nicht auf die Fähigkeiten
des Publikums, historische Fakten und Filme auseinander halten zu
können. Ihre Sorge mag nicht ganz unberechtigt sein, produktiv ist
sie jedoch nicht. Denn mit The Imitation Game hat Morten Tyldum etwas
ganz anderes geschafft, als brav historische Fakten (was immer das
auch sein mag) herunter zu beten. Denn sein Ziel war es sicherlich
nicht, Wissen zu vermitteln – dann hätte er vermutlich eine
Dokumentation gedreht, derer man sich ebenfalls als Narrative bewusst
sein sollte! - sondern die außergewöhnliche Geschichte Alan Turings
so zu erzählen, dass sie das Publikum unterhält, mitreißt und
vielleicht auch sensibilisiert.
Denn der Film sensibilisier durchaus,
allerdings nicht nur für die historische Relevanz, die Turing im
Zweiten Weltkrieg und auch danach spielt, sondern auch für Toleranz,
Akzeptanz und ein respektvolles Miteinander. Nicht Turings
dargestellte sozialen Schwächen sind es, die ihn ins Unglück
stürzen. Nicht seine streng geheimen Tätigkeiten und Verwicklungen
im Zuge der Enigma-Entschlüsselung. Nein, es ist schlicht der Fakt,
dass er homosexuell ist. Allein die Tatsache, dass er Männer liebt,
wird verurteilt und bestraft – und zwar ganz im Sinne des damaligen
Gesetzes. Diese haarsträubende Ungerechtigkeit ist es, die Tyldum
erzählerisch herausstellt. Dabei beweisen er und Drehbuchautor
Graham Moore ein besonderes Talent für Timing und storytelling, denn
erst im Laufe der Handlung spielt Turings Homosexualität überhaupt
eine Rolle. Solange die Entschlüsselung der Enigma im Zentrum steht,
streuen sie nur kleine, feine Hinweise und zeigen hier auch ihren
Sinn für Stimmungen und Emotionen.
All das wäre natürlich hinfällig,
wenn besagte Stimmungen und Emotionen von den Darstellern nicht
transportiert würden. Zum Glück hat man sich aber mit Benedict
Cumberbatch nicht nur einen der angesagtesten, sondern auch
talentiertesten jungen Schauspieler der letzten Jahre ins Boot
geholt. Anfängliche Parallelen zu seiner Interpretation des neuen Sherlock Holmes verfliegen bereits nach den ersten Minuten, denn dann
stellt Cumberbatch eindeutig klar, dass er mehr kann, als nur den
liebenswert-schrägen Soziopathen zu spielen. Als Alan Turing
überzeugt er in einfach jeder Sekunde durch ein fein nuanciertes
Spiel und ständige, irgendwie greifbar-physische Präsenz. Hinzu
kommen Keira Knightley – bereits seit längerem erste Wahl für
historische Stoffe – und ein chronisch unterbewerteter Matthew
Goode, komplettiert von einem eh und je strengen bis eisigen Charles
Dance. Keiner von ihnen schafft es freilich, Cumberbatch die Show zu
stehlen, aber das ist weder nötig noch sinnvoll.
Positiv im Gedächtnis bleiben auch die
stimmige Ausstattung der Sets und die warmen, weichen Farben.
Kameraführung und Musik passen sich dabei ganz dem Erzählrhythmus
und der Geschichte an, fallen also weder angenehm noch unangenehm
auf. Hier wäre der ein oder andere Ausreißer erfrischend und mutig
gewesen, war aber wahrscheinlich in Hinblick auf die Oscars einfach
als zu riskant eingestuft worden.
Fazit: The Imitation Game mag sich
nicht sklavisch an die historischen Vorlagen halten, schafft es aber
dafür, dem Zuschauer Turings enorme Verdienste wie auch sein ganz
persönliches Schicksal auf berührende Art näher zu bringen. Ein
durch und durch sehenswerter Film, der vielleicht sogar bei dem einen
oder anderen Interesse an Alan Turing als historischen Akteur weckt.
In diesem Sinne,
eure J.
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