The Devil All The Time

Originaltitel: The Devil All The Time

Regie: António Campos

Drehbuch: António und Paulo Campos

Score: Danny Bensi, Saunder Juriaans

Darstellende: Tom Holland, Bill Skarsgard, Robert Pattinson, Mia Wasikowska, Sebastian Stan



Wertung: 90 %


- intensive, aber hoffnungslose Reise in das wahnhaft-religiöse Amerika der Zwischenkriegszeit -



Nordamerika nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs: Erzählt werden die Geschichten eines vom Krieg schwer traumatisierten Soldaten, eines wahrhaft gläubigen Predigers, eines weniger gläubigen Predigers, eines Serienkiller-Pärchens und zweier Teenager, die versuchen, in dem Dickicht religiösen Wahns irgendwie über die Runden zu kommen…


Ein wahrhaft schauderhaftes Bild zeichnet António Campos da vom Amerika zwischen den Kriegen. Es ist ein hoffnungsloses Bild, das direkt auf der schmalen Grenze zwischen Glaube und Wahnsinn gezeichnet wird. Weniger interessierten sich Campos und Autor der Buchvorlage Donald Ray Pollock jedoch für den Verlauf dieser Grenze als vielmehr für die Abgründe, in die wir stürzen, wenn wir den Halt darauf verlieren. Denn so episodal, wie die Einzelschicksale der gezeigten Menschen zunächst auch scheinen, so eint sie doch nicht nur ihre schicksalhafte Verwicklung miteinander, sondern auch, dass sie letztlich alle auf den Irrwegen ihres Glaubens unterwegs sind. Sie alle streben nach Hilfe, nach Gott, nach Erlösung. Da ist der Prediger Laferty, der nach dem Biss einer giftigen Spinne zu der Überzeugung kommt, mit der Macht Gottes Tote wieder zum Leben erwecken zu können. Da ist der Serienkiller Carl, der nur dann die Gegenwart einer höheren Macht spürt, wenn er junge Männer quält, tötet und anschließend für Fotos mit seiner Frau Sandy drapiert. Und da ist der heimgekehrte Soldat Willard Russell, der den Hund seines Sohnes opfert, um so den Krebstod seiner Frau zu verhindern. Ihr pervertiertes Christentum führt jedoch nicht nur sie selbst, sondern auch die Menschen um sie herum ins Verderben. Und das ist das eigentlich Tragische an ihren Schicksalen.


Protagonisten lassen sich in dem Gewirr nur schwerlich ausmachen. Und so dauert es auch eine Weile, bis wir Tom Hollands Figur des Arvin Russell als diese erkennen können. Holland spielt sich in dem Film herrlich frei von seinem Peter-Parker-Sonnenschein-Image und schreckt auch nicht vor den Ambivalenzen seiner Figur zurück. Stellvertretend steht er für eine ganze Generation junger Männer, die von ihren heimgekehrten Vätern Gewalt und Kämpfen lernten, nur um im Vietnam-Krieg Gewalt und Kämpfe fortzuführen. Campos zeichnet die amerikanische Geschichte hier als eine ausweglose Ellipse, wenn Arvin am Ende des Films kaum noch weiß, ob seine Träume vom Krieg aus der Vergangenheit seines Vaters oder seiner eigenen Zukunft in Vietnam handeln. Letztlich, so die Botschaft des Films, spielen derartige Details für die (weiße) amerikanische Seele keine Rolle. Zu groß ist die Diskrepanz zwischen heimischem 50er-Jahre-Idyll und fernem Schlachtfeld. Damit ist The Devil All The Time auch ein Plädoyer gegen jede Form von Krieg generell. Viel interessanter finden Campos und Pollock jedoch amerikanische Religiösität. Der Film gerät dadurch fast zum Werbestreifen für Atheismus: Seht her Leute, das passiert, wenn ihr glaubt! Ihr bringt andere und euch selbst letztlich um. Die Aufgabe der nachfolgenden Generation ist es, die Religion zu begraben und nach vorn zu schauen. Nur: nach vorn, wohin? In den nächsten Krieg? Genau das ist es, was The Devil All The Time so pessimistisch macht. 


Rettung erhalten Zuschauende lediglich durch die Flucht in ihre eigene Gegenwart. Fast ertappt man sich beim erleichterten Aufatmen, wenn eine Jahreszahl eingeblendet wird. Glück gehabt, alles schon Vergangenheit? Nein, dafür bleiben die Einzelschicksale zu persönlich, zu detailliert gezeichnet. Auch verführt Campos nicht zur Nostalgie, obwohl die Stimme des Erzählers (übrigens Pollock selbst) uns dies zunächst glauben lässt. Zu nüchtern und distanziert kommentiert Pollock immer wieder das gezeigte Geschehen, als dass wir uns in die wohlige Heimeligkeit einer schön strukturierten Erzählung zurücksinken lassen könnten. Auch sind Kameraarbeit und Inszenierung immer eine Spur zu lethargisch, um den Film wirklich zu einem period piece verflachen zu lassen. In The Devil All The Time ist die Vergangenheit nicht sicher, nur weil sie vergangen ist. Sie ist uns nah und sie ist verstörend, gerade weil Campos und Pollock sie als Lappalie erzählen, die nicht aufgehalten werden kann.


Fazit: António Campos gelingt ein schnörkelloser Abgesang auf amerikanische Mythen, der bis in die kleinste Nebenrolle genial besetzt und aufgespielt ist. Man muss sich allerdings drauf einlassen können. Denn einen Ausweg aus all dem Wahn bietet er konsequenterweise nicht. Zudem ist die Darstellung der verübten Gewalt nichts für schwache Nerven.


In diesem Sinne, eure J.

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