Fifty Shades of Grey

Originaltitel: Fifty Shades of Grey
Regie: Sam Taylor-Johnson
Drehbuch: Kelly Marcel
Score: Danny Elfman
Darsteller: Dakota Johnson, Jamie Dornan


Wertung: 79 %

- Wunderschön fotografierte und erstaunlich verzwickte Liebesgeschichte, die leider ein falsches Licht auf die SM-Szene zu werfen droht -


Die Geschichte kennen Millionen: Anastasia Steele ist Literaturstudentin, jung, naiv, Jungfrau – und lernt den attraktiven, herrischen Millionär Christian Grey kennen. Wider aller Erwarten (!) beginnen die beiden, sich näher zu kommen. Aber dabei offenbart Grey nicht nur seine Kontrollsucht, sondern auch seine sadomasochistischen Neigungen, die Ana ebenso abstoßen wie faszinieren.

Fifty Shades of Grey war und ist ein Phänomen. Wider des gesunden Menschenverstandes verkaufte sich die Buchvorlage dieses Films Millionen Mal – aus der ursprünglichen Twilight-Fan-Fiction war eine eigene Goldgrube geworden. Und das obwohl (oder, noch viel erschreckender: weil?) die Geschichte unfassbar schlicht geschrieben ist und dabei jeden Sinn für Realität oder sprachlicher Eleganz entbehrt. Hinzu kommen die immer lauter werdenden Stimmen aus der „echten“ SM-Welt, die sich über unverhältnismäßige Darstellung ihres schlüpfrigen Hobbys beschweren.

Warum also den Film sehen? Weil er, wie zu erhoffen war, einiges mehr kann als seine tumbe Vorlage. Er erzählt in hypnotischen Bildern nicht nur die Geschichte einer jungen Frau, die ihren Körper entdeckt, sondern auch zweier Menschen, die sich langsam einander öffnen und dabei eben so ihre Schwierigkeiten haben. Dabei führt das Drehbuch in den ersten 15 Minuten fies hinters Licht und serviert dem Zuschauer eine knuffige, langweilige boy-meets-girl-Geschichte, sodass man schon fast geneigt ist, sich gähnend abzuwenden. Aber dann fallen erstaunlich schnell Worte wie „Ich schlafe mit Niemandem. Ich ficke. Hart.“ oder „Was ist ein Anal-Plug?“ und die zahnschmerzensüße Romantik ist dahin. Dabei macht vor allem die Unverfrorenheit Spaß, mit der Drehbuchautorin Marcel die kleine Seifenblase attackiert, in der sich nicht nur Anastasia, sondern auch die Zuschauer befinden. Die Figur des Christian Grey, der seine offensiven Sex-One-Liner eher unverschämt als schlüpfrig daherredet, wirkt dadurch nur noch glaubwürdiger.

Allerdings handelt es sich bei Grey nicht um den innovativsten Charakter, was schade ist, da er gleichzeitig der komplexeste ist. Neben seinen angedeuteten Abgründen, unglamouröser Kindheit und Herrschsucht wirkt Dakota Johnson als Anastasia Steele beinahe langweilig. Zwar schafft es die junge Darstellerin, die Rolle der unerfahrenen Studentin glaubwürdig und absolut nahbar zu verkörpern, nur leider kann sie nichts daran ändern, dass ihr eben keine sonderlichen Eigenschaften zugeschrieben wurden. Einzig in den durchschnittlich bis herausragend geschriebenen Dialogen darf sie aufblühen und sich – mit fortschreitender Handlung – entwickeln. Erst dann erhält der Zuschauer Einblick in ihre Gedanken und Gefühle. Das bietet natürlich hinreichend Projektionsfläche für das weibliche Publikum, allerdings scheint sich Ana außer für Literatur (als Literaturstudentin vielleicht nicht ganz unwahrscheinlich) für nichts zu interessieren und auch keine engen Freunde zu haben.

Sieht man von diesem Manko ab, ist Fifty Shades of Grey vor allem ein handwerklich hochwertiger Film geworden, der niemals im flachen Wasser des Pornos fischt, sondern es tatsächlich schafft, die Komplexität und Untiefen des Zwischenmenschlichen auszuloten. Und obwohl die Wortwahl, wie bereits beschrieben, angenehm explizit wird, bleiben die heiß erwarteten Sexszenen immer geschmackvoll und intim zugleich. Seamus McGarvey leistet mit seiner Kameraarbeit wirklich Herausragendes – allein, wie seine wohlwollende, aber nicht verschämte Kamera die einzelnen, sich aufstellenden Härchen auf Anas Oberschenkeln einfängt, ist wunderschön anzuschauen. Zudem bietet Greys Reichtum und urbaner Chic genügend Möglichkeiten, um eine ganz eigene, hypnotische Bilderwelt zu schaffen, ohne dabei glattgebügelt zu wirken.

Aber auch die Wahl des Soundtracks sowie Danny Elfmans Score können überzeugen und untermalen stimmungsvoll erst die romantische Seifenblase und dann das sich in die Tiefe schraubende Beziehungsgeflecht der beiden Hauptfiguren. Zwar beängstigt zu Beginn noch Elfmans leider Regel gewordene Durchschnittlichkeit, aber scheint sie hier erstmals seit Jahren lediglich der Handlung zu dienen. Mit Anas steigendem Verlangen (und auch ihrer steigenden Mündigkeit, Selbstgewissheit und Sicherheit) wird es dann wohlig verlockend: Hier schließt sich eine kleine musikalische Ellipse, die mit dem Eröffnungsstück (I put a spell on you – passt wie Faust auf Auge) begonnen worden war.

Einziger wirklicher Wermutstropfen an der ganzen Sache ist die Art, wie Christians sadistischen Neigungen dargestellt werden – zumindest zum Ende der Handlung hin. Denn Ana gibt sich diesen nur so weit hin, wie es wohl von jeder durchschnittlichen Frau zu erwarten wäre und verzichtet sofort auf alles, was ihr zu extrem erscheint. Das ist erst einmal nichts Unangenehmes, denn schließlich ist sie ja eine „normale“ Frau ohne Kenntnisse dieser Subkultur (und zudem auch noch sehr unerfahren, warum also sollte sie sich ohne weiteres auf Analfisting einlassen?). Auch die vereinbarten Codewörter sind ein gängiges Mittel bei sadomasochistischen Handlungen, um beiden Beteiligten die Sicherheit zu geben, dass nichts wirklich gegen ihren Willen geschieht. Allerdings legt der Film immer wieder kleine bis auffällige Hinweise, dass Grey seine sadistische Seite nur benutzt, um sich vor „wahren Gefühlen“ zu schützen. Als er sie – nach mehrmaliger Warnung und Anas Einwilligung – hart schlägt, bricht sie in Tränen aus und verlässt ihn schließlich. Warum, fragt man sich da. Warum hat sie kein Codewort genutzt, als es ihr zu sehr weh tat? Warum werden Greys sexuelle Vorlieben überhaupt mit so viel Bedeutung aufgeladen? Es scheint, als gäbe es genau zwei Gegensätze, nämlich die heiße, aber unnahbare Welt des SM und „wahre“ Liebe und Zuneigung. Wieso nicht beides gleichzeitig? Es ist wirklich sehr schade, aber der Buchvorlage geschuldet, dass hier kein erwachsenerer Umgang mit SM stattfindet als das, was es ist, nämlich das Vergnügen und Spiel (!) zweier mündiger Menschen, die Erniedrigung, Schmerz und Dominanz lediglich in einem sehr engen Rahmen ausleben. Dies legt eigentlich auch der Vertrag nahe, den Christian mit Ana schließen will, dem sie aber nicht einwilligen will. Stattdessen sucht Taylor-Johnson nach den Gründen für Greys Unnahbarkeit und lässt uns schließlich auf den nächsten Teil warten.

Fazit: An alle Zweifler und Hasser sei gesagt: Fifty Shades of Grey ist ein wesentlich besserer Film geworden, als die Buchvorlage je vermuten lassen hätte. Also lasst die Finger von dem Schundroman und geht lieber gleich ins Kino! Jüngere Zuschauer sollten sich aber bewusst machen, dass die dargestellten SM-Handlungen nicht sehr viel mit der Realität gemein haben, sondern, im Gegensatz zur Filmaussage, eben gerade Ausdruck von gegenseitigem Vertrauen sind und nicht ein Mangel an diesem.

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