Grand Budapest Hotel
Originaltitel: The Grand Budapest Hotel
Regie: Wes Anderson
Drehbuch: Wes Anderson, Hugo Guinness
Score: Alexandre Desplat
Darsteller: Ralph Fiennes, Tilda
Swinton, Tony Revolori, Willem Defoe, Adrien Brody, Saoirse Ronan,
Jude Law, Bill Murray, Harvey Keitel
Wertung: 95 %
- Herrlich skurilles, modernes Märchen
voller liebevoll gestalteter Details -
Die 1930er Jahre: Gustave H., seines Zeichens Concierge
des Grand Budapest Hotel in Zubrowka, steckt in der Klemme: Nachdem
seine Geliebte Madame D ermordet wurde – und er ein wertvolles
Gemälde gestohlen hat, das sie ihm vermacht hat – wird er nicht
nur von der Polizei, sondern auch von den bösen Handlangern der
habgierigen Erben Madame Ds gesucht. Hilfe bekommt er jedoch von
seinem Freund und Protege Zero, dem neuen Lobby Boy. Gemeinsam er-
und überleben die beiden haarsträubende Abenteuer und begegnen
dabei den eigenartigsten Figuren.
Typisch Wes Anderson. Hat er es mal
wieder geschafft, ein echtes und wahrhaftiges Kino-Märchen zu
erzählen! Mit der üblichen Detailverliebtheit und einem riesigen,
grandiosen Cast gelingt es ihm, seine Zuschauer in eine
herzallerliebste fiktive Alpenrepublik zu entführen, die an
glanzvolle, vergangene Zeiten erinnert.
Da wäre zum Ersten die technische
Ausführung. Schon allein die steile Standseilbahn hin zum Hotel –
inspiriert von Karlsbader Hotels – wirkt derart drollig, dass man
sofort mitfahren möchte. Solche Reaktionen rufen keine aufwendigen
CGI-Effekte hervor, obwohl Anderson durchaus Greenscreen verwendet.
Liebevoll gestaltete Modelle der Bahn und des Hotels sind es, die uns
von alten Filmen träumen lassen. Hierzu passen die eigens
angefertigten Gemälde für den Hintergrund aus verschneiten
Alpengipfeln und die vortrefflichen Außen- und Innenaufnahmen, die
vollständig in Deutschland gedreht wurden (tatsächlich handelt es
sich auch um eine deutsch-amerikanische Produktion). Görlitz,
Dresden und Zwickau dienten Anderson als Kulissen, die Robert D.
Yeomans Kamera akribisch einzufangen versteht. Nicht nur die weichen
Konturen und sanften Farben stechen hier hervor, sondern vor allem
die akribischen Kamerafahrten und -aufnahmen. Fast immer handelt es
sich um Frontalaufnahmen und 90-Grad-Schwenks, was zwar die
Theaterhaftigkeit der Geschichte unterstreicht, aber nie im
Widerspruch zu der hohen Geschlossenheit der Erzählung steht.
Zum Zweiten hätten wir eine von
russischen Märchenfilmen inspirierte Musik von Alexandre Desplat,
der wieder einmal zeigt, wozu er fähig ist, wenn er keine
glitzernden Vampire musikalisch untermalen muss. Seine Arrangements
fügen sich nahtlos in die alles beherrschende Atmosphäre
vergangenen Glanzes, ohne dabei unterzugehen. Sie sind das ironische
Zwinkern, das dem Film nicht seine Glaubwürdigkeit, wohl aber
unnötige Ernsthaftigkeit nimmt.
Drittens wäre da der riesige, perfekt
besetzte Cast. Trotz einiger Abweichungen von ursprünglich geplanten
Besetzungen (Johnny Depp sollte die Hauptrolle spielen) fügen sich
die zahlreichen Figuren in Andersons Mikrokosmos perfekt zusammen.
Jede noch so kleine Nebenrolle ist hochkarätig besetzt, sei es nun
Edward Norton als Inspector, Harvey Keitel als rauhbeiniger
Verbrecher (zum Schreien die Szene, in der er seinen Fluchtplan mit
Gustave bespricht und dabei wortwörtlich seine Muskeln spielen
lässt), Willem Defoe als vampiresker Schlägertyp oder Adrien Brody
als skrupelloser Erbe. Jeder von ihnen spielt seine Rolle mit dem
nötigen, überbordenden Ernst, der die Figuren in Grand Budapest Hotel eben so witzig macht. Herauszuheben sind natürlich Ralph
Fiennes als Gustave, der eine erstaunliche Galanterie und
Verletzlichkeit an den Tag legt und sein junger Freund, gespielt von
Newcomer Tony Revolori, von dem wir hoffentlich bald mehr sehen
werden.
Natürlich verdankt jeder der
Darsteller seinen Erfolg auch der genialen Figurenzeichnung durch
Anderson und Guinness. Ähnlich wie Guy Richie in Snatch, so versteht
es Anderson, Figuren zu entwickeln, die nicht durch Komplexität und
Makellosigkeit, sondern durch kleine menschliche Fehler und
Eitelkeiten bestechen. Und obwohl es sich in der Tat bei Grand
Budapest Hotel um ein Märchen handelt, schaffen es die Autoren
dennoch, durch dunklen Humor und eine damit verbundene, gehörige
Zahl Toter, eben jene tragische Note einzubringen, die den Film vor
seiner Überzuckerung bewahrt.
Fazit: Anderson ist ein kleines Wunder
gelungen, nämlich die Eleganz vergangener Epochen – ob nun der
Erzählkunst, des Films oder der Geschichte – in ein komisches,
anheimelndes und doch skurilles Märchen zu verpacken, pointiert und
witzig, liebenswert und niemals langweilig. Wer diesen Film nicht
mag, hat ein Herz aus Stein. Dennoch – kaum vorstellbar, aber doch
möglich – sollte man Andersons Träume und Humor teilen, sonst
wird aus Glanz Absurdität.
In diesem Sinne,
eure J.
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