The Place Beyond The Pines



Originaltitel: The Place Beyond The Pines
Regie: Derek Cianfrance
Drehbuch: Derek Cianfrance, Ben Coccio, Darius Marder
Score: Mike Patton
Darsteller: Ryan Gosling, Eva Mendes, Bradley Cooper, Ray Liotta

Wertung: 90 %

-  Epische und zugleich unaufgeregte Familiensaga, zeigemäß erzählt –


Luke ist Motorradstunt-Fahrer auf einem Jahrmarkt. Einmal im Jahr treibt es ihn nach Schenectady, einem kleinen Ort im Nirgendwo Amerikas. Er will schon wieder abreisen, da trifft er Romina – eine Bekanntschaft vom letzten Jahr, die inzwischen seinen kleinen Sohn großzieht. Als Luke davon erfährt, beschließt er, in der Stadt zu bleiben. Fortan setzt er sein Stunt-Talent beim Bankraub ein, um Geld für seine Familie zu verschaffen.

Mit dieser kurzen Einleitung kann man gerade mal den Anfang des Filmes beschreiben. Derek Cianfrance, der bereits in Blue Valentine mit Ryan Gosling zusammen arbeitete, entwirft mit The Place Beyond The Pines eine wahrhaft epische Geschichte, die die aktuell sehr schicke Laufzeit von über zwei Stunden ausnahmsweise mal wieder rechtfertigt.

Es ist ein Phänomen der letzten zwei Jahre: Jeder Film, egal ob Hollywood-Komödie oder Comic-Verfilmung, muss anscheinend über zwei Stunden gehen. Ich weiß nicht, wieso. Besonders Man of Steel hätte man in locker 90 Minuten unterhaltsamer gestalten können. Bei Cianfrance ist es anders. Er wagt sich an ein Genre, das heute nicht gerade Hochkonjunktur hat – die Familiensaga. Und obwohl sich sein Stil grundlegend von früheren Werken dieser Art unterscheidet, werden doch wohlige Erinnerungen an Legenden der Leidenschaft wach, wenn man in das emotionale Geflecht eintaucht, das der Film webt.

Kamera und Musik sind dabei, wie bereits in Blue Valentine, zurückgenommen, aber nicht dokumentarisch. Die Mittel und Einstellungen sind schlicht, nicht unmotiviert und die Farben kühl, aber nicht unnatürlich. Sie entsprechen modernen Sehgewohnheiten, ohne zum Selbstzweck zu verkommen. Jedoch liegt die wahre Stärke des Films woanders, nämlich in seinem Drehbuch und seiner Dramaturgie. Seit Hitchcock hat sich meines Wissens nach kein Regisseur mehr getraut, derart früh einen seiner Protagonisten sterben zu lassen. Schockiert sitzt man in seinem Kinosessel und denkt: Ja, und jetzt? Was soll denn jetzt noch kommen? Ist die Geschichte nicht erzählt? Der Drops nicht gelutscht?

Mitnichten. Während man dem Trailer nach noch eine One-Man-Show von Gosling erwartet, erkennt man während des Films, dass Cianfrance viel mehr zu bieten hat, nämlich tiefgehende, erschütternde Charakterstudien verschiedenster Figuren und eine Geschichte, die locker 15 Jahre umspannt. Dabei pickt er sich gekonnt erzähltechnische Rosinen aus den Lebensläufen der Protagonisten, sodass es nie langweilig wird. Gebannt verfolgt man die verschiedenen Schicksale, wobei eine angenehme Balance zwischen zwangsläufigen und überraschenden Wendungen gehalten wird. Der Film ist kurzweilig, ohne sich anzubiedern, er unterhält, ohne hohl zu werden. Er schafft, was viele Kinoproduktionen heute eben nicht mehr schaffen – anspruchsvolle Unterhaltung. Dabei sucht er nie zwanghaft nach einem tieferen Sinn, sondern lässt die Geschichte für sich sprechen.

Dazu tragen natürlich auch die allesamt gut aufgelegten Schauspieler bei. Gosling spielt wie immer, wortkarg und wuchtig. Bradley Cooper geht einen weiteren Schritt weg von seinem Eye-Candy-Image hin zum ernsthaften Schauspieler. Ebenso verhält es sich mit Eva Mendes, die in diesem Film lediglich ein wenig zu abgemagert wirkt. Teilweise fällt es schwer, ihren Worten zu folgen und nicht nur ihre eingefallenen Wangen anzustarren. Hinzu kommen zwei vielversprechende Jungschauspieler, die ihren älteren Kollegen in nichts nachstehen und locker das letzte Drittel des Films tragen.

Fazit: Wer einen gewissen Anspruch hat, sich von einem Film gefangen lassen möchte, statt von seiner Künstlichkeit ausgeschlossen zu werden – der ist in The Place Beyond The Pines genau richtig. Dabei überschreitet der Film gekonnt Genregrenzen und weiß somit jeden Geschmack zu bedienen, ohne an innerer Geschlossenheit zu verlieren.

In diesen Sinne,
eure J.

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