Alita: Battle Angel

Originaltitel: Alita: Battle Angel
Regie: Robert Rodriguez
Drehbuch: James Cameron, Laeta Kalogridis
Score: Tom Holkenborg
DarstellerInnen: Rosa Salazar, Christoph Waltz, Mahershala Ali, Jennifer Conelly


Wertung: 69 %

– Klassische US-Adaption fremdsprachiger Stoffe: Gut gemeint, nicht gut gemacht –


300 Jahre nach dem „großen Krieg“ leben diejenigen, die es sich leisten können, in der schwebenden Stadt Zalem. Wer es sich nicht leisten kann, lebt unten, auf der Erde, in Iron City, wo die Abfälle von Zalem landen und die Menschen als austauschbare Cyborgs ihr Leben verdingen. Einer von ihnen, der Reparateur und Arzt Ido, findet auf dem zugehörigen Schrottplatz einen eigenartigen Cyborg. Er tauft ihn Alita und baut ihn wieder auf. Alita merkt bald, dass sie nicht ganz das bedeutungslose Mädchen ist, das sie zu sein scheint. Ungeahnte Kampfkräfte schlummern in ihr. Und schon bald ist sie gezwungen, diese einzusetzen, denn dunkle Gestalten sind hinter Alita her…

Wer in den frühen 2000er Jahren Mangas gelesen hat, der ist an Battle Angel Alita eigentlich nicht vorbei gekommen. Der dystopische Cyberpunk lebte nicht nur von seiner weiblichen und schlagkräftigen Hauptfigur, sondern auch von den dunklen Geheimnissen und Rätseln, die sowohl Iron City als auch Zalem zu verbergen suchten. Durch die Figur des Cyborg – sei es in Gestalt von Alita selbst, aber auch ihren Widersachern und Weggefährten – ließ sich in dem Manga vortrefflich über die Vergänglichkeit des Körpers sinnieren, während gleichzeitig knackige Actionszenen warteten. Anders als der geistige Vorgänger von Alita: Battle AngelGhost in the Shell – stellt dieser neue Film jedoch weniger die Frage nach dem, was uns zum Menschen macht, sondern erzählt lieber eine gähnend langweilige, stringente Story von Heldenmut und Kampfgeist. Da wir uns im Jahr 2019 befinden, packt das natürlich auch dann nicht mehr so ganz, nur weil es sich um ein Mädchen handelt. Nein, selbst dann nicht, wenn es computeranimiert ist. Doch der Reihe nach.

In vielen Details und Handlungssträngen bleiben James Cameron und Robert Rodriguez lobenswert nah am Vorbild. Aber natürlich ist das nur so lange der Fall, bis der Stoff zu kantig wird. Dann schleifen sie hier und da lieber die Ecken ab, damit wir den Brocken auch bequem schlucken können, ohne daran zu ersticken. Die leichte Kost geht gut rein, hinterlässt aber kein echtes Sättigungsgefühl. Schließlich boten Manga und Anime doch etwas mehr Komplexität, insbesondere, was Alitas Love Interest Yugo (im Film: Hugo) angeht. Den spielt Newcomer Keean Johnson so derart flach, dass es mich nicht wundern würde, wenn wir nie wieder etwas von ihm hören. Dass bei seinem Gegenüber, der animierten Alita, wesentlich mehr Emotionen rüberkommen, sagt eigentlich alles.

Womit wir beim Hauptstreitpunkt wären, nämlich Alita. Sie ist die erste komplett computeranimierte Hauptfigur in einer Realverfilmung (was auch immer „real“ im heutigen CGI-Gewitter auch heißen mag), die Seite an Seite mit menschlichen SchauspielerInnen bestehen muss. Erstaunlicherweise funktioniert das gut, denn Alita ist eben nur menschenähnlich, ein Cyborg. Sie ist kein Mensch und muss auch nicht als solcher wahrgenommen werden. Nichts desto trotz stellt sich die Frage, ob es ein menschliches Antlitz nicht auch getan hätte. Denn anders als bei Camerons Vorgängerwerk, Avatar, unterscheidet sich Alita phänotypisch nicht vom Menschen. Auch funktionierte Avatar so gut, weil die animierten Na’Vi sich in eine komplett animierte, fremde Welt einfügten und nur gelegentlich dem Menschen gegenübergestellt wurden. Alita bleibt dagegen immer ein Fremdkörper in ihrer Welt, was zwar hervorragend zu ihrer Geschichte und ihrem Charakter passt, die Zuschauenden aber auch immer wieder aus ihrem Seh-Erlebnis heraustragen kann. Manchmal möchten wir eben nicht durch grandiose Technik erstaunt werden, sondern einfach eine gute Geschichte miterleben.

Darüber hinaus orientieren sich Rodriguez und Cameron optisch klar am Vorbild, füllen es aber mit wesentlich mehr Wärme und südamerikanischem Flair. Das ist eine nette Abwechslung zu den anderen Sci-Fi-Städten, die sich letztlich alle – auch Iron City – hinter Blade Runner-Zitaten verstecken, bringt aber auch ein wesentliches Problem mit sich: Denn Produzent und Regisseur nehmen Iron City die Verzweiflung. Anders als im Manga und im Anime wird nie so ganz ersichtlich, warum die Menschen eigentlich nach Zalem zurück wollen. In Iron City gibt es eigentlich alles, was das Herz begehrt und rings um die Stadt sogar blühende Landschaften, die aus irgendwelchen Gründen keine Aussteiger anziehen konnten. Dabei wirkt der Wald, in dem Alita auf ein abgestürztes Raumschiff stößt, nahezu idyllisch. Als müdes städtisches Publikum fragt man sich da doch: Wo ist die Landflucht-Bewegung? Stattdessen wird viel behauptet und wenig gezeigt. Babyface Hugo berichtet zwar von Grausamkeit, wir sehen aber kaum welche. 

Wovon es ebenso wenig zu sehen gibt, ist Blut. Rodriguez, den wir als Schöpfer der Mariachi-Trilogie kennen, muss sich schlicht schwarz geärgert haben, dass er keinen einzigen Tropfen Kunstblut vergießen durfte. Na ja, oder zumindest fast keinen. Die einzige Gewalt on screen richtet sich gegen Cyborgs, die ja immerhin auch noch Menschen sind, nur eben mit Maschinenkörpern. Da scheint es dann keinen zu stören, dass am laufenden Band Arme und Beine abgerissen, Schädel gespalten oder Gesichter abgetrennt werden. Für ein Kind von 12 Jahren ist diese Art von Gewalt sicherlich verstörend, für einen Erwachsenen jedoch ist es störend, wenn die Kamera verschämt weg schwenkt, wenn es gegen einen kleinen Hund geht. Zudem verschenken die Filmschaffenden hier echte Tiefe: Denn die Beliebigkeit, mit der sich Menschen ihre Körperteile austauschen lassen und die kapitalistischen Optimierungsgedanken dahinter wären sicherlich die ein oder andere Filmminute wert gewesen. Der fragmentierte Körper als Spiegel des fragmentierten Selbst – das wäre spannend geworden. So aber wird das Maschinen-Sein der Figuren lediglich als Ausrede genutzt, absurde Gewalt möglichst harmlos darzustellen. Schade.

Ebenso verschenkt werden die schauspielerischen Kräfte des glänzenden Casts, von einem Christoph Waltz über Mahershala Ali und Jennifer Connelly dürfen sie alle ihr Potenzial nicht voll entfalten, sondern werden in eindimensionale Charaktere gedrückt. Titanic-Schöpfer Cameron übersetzt jedoch so einige Manga-Eigenheiten in platteste Dialoge, die immer wieder sauer aufstoßen. Zwar bot die Vorlage auch nicht unbedingt vielschichtigere Figuren, vermochte dies aber hinter seiner unaufgeregten Erzählweise zu verstecken. Aufgebauscht zum großen Hollywood-Tamtam wirkt außer Alita eigentlich kaum Jemand überzeugend.

20 Jahre sei der Film in der Produktion gewesen, heißt es. Ein Herzensprojekt von James Cameron, der sich dann aber lieber um seine Avatar-Fortsetzungen kümmerte. Vielleicht wäre eine kurze Rückschau, was so alles in dieser Zeit mit der Kinolandschaft passiert ist, ganz nett gewesen. Dass Alita eine aufrichtige Kämpferin ist, ein weiblicher Hauptcharakter, der auch noch ziemlich kick ass daher kommt und den bösen Jungs das Fürchten lehrt – ja, das hat uns schon bei Atomic Blonde nicht mehr vom Hocker gehauen. Das Potenzial von Alita lag daher eher in den verhandelten Fragen um Körperlichkeit, Menschlichkeit und im visuellen Reiz der Cyborg-Idee. Beides wurde jedoch nicht vollständig ausgereizt oder gleich liegen gelassen. Vielleicht lernen die Männer Hollywoods ja irgendwann, dass eine Figur, die kämpfen kann, nicht gleich interessant ist, nur weil sie ne Frau ist. Zu hoffen bleibt noch, dass die DVD mit einem erweiterten Director’s Cut daher kommt, in der wir dann auch etwas mehr erwachsene Gewalt zu sehen bekommen.

Fazit: Wie schon Ghost in the Shell krankt diese US-Adaption an dem amerikanischen Wunsch nach Glätte und Einfachheit. Immerhin aber überzeugt Alita selbst, trotz oder wegen ihrer Computer-Animation.

In diesem Sinne,
eure J.

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