Ghost In The Shell

Originaltitel: Ghost In The Shell
Regie: Rupert Sanders
Drehbuch: William Wheeler, Jamie Moss
Score: Lorne Balfe, Clint Mansell
Darsteller: Scarlett Johannson, Juliette Binoche, Pilou Asbaek


Wertung: 80 %

- Optisch überragendes, auf Ebene des Drehbuchs aber leider schwächelndes Remake -


Die Zukunft: Dem Robotik-Konzern Hanka gelingt es, das Gehirn der ertrunkenen Mira Kilian in einen vollständigen Cyborg-Körper, eine Shell, zu verpflanzen. Fortan ist sie als Major der Sondereinheit „Sektion 9“ unterwegs, um Cyber-Verbrechen und Terrorismus zu bekämpfen. Ihr neuestes Ziel: ein Hacker, der die allseits „verbesserten“ Menschen angreift und zu seinen Zwecken missbraucht. Doch was steckt wirklich dahinter?

Rupert Sanders verbeugt sich mit nahezu fanatischem Sinn fürs Detail vor Masamune Shiros großem Cyber-Punk von 1995. Während das vollständige Quellenmaterial einen Manga, zwei Anime-Filme und zwei Anime-Serien umfasst, ist es vor allem der erste und gleichnamige Ghost In The Shell, an den wir fortlaufend erinnert werden. Das beginnt bei der Eröffnungssequenz, der sogenannten „Shelling-Scene“, geht über Miras Tarnkappen-Anzug und endet schließlich in dem großen Kampf – Major versus Panzer. Dabei fügt Sanders eben genau so viel eigenen Stil hinzu, dass ein stimmiges, futuristisches Bild entstehen kann; unter anderem ist die Welt, in der seine Figuren leben, eher von Neon-Lichtern bestimmt, während in dem Anime von 1995 eher gedeckte Erdtöne vorherrschten.  Sanders – oder vielmehr die unzähligen Mitwirkenden des Films, die das möglich machen – gehen dabei allerdings so raffiniert vor, dass es ein wahrer Augenschmaus ist. Auf optischer Ebene traut man sich endlich mal wieder, vom Hollywood-Einheits-Superhelden-Brei abzuweichen und etwas Eigenständiges zu kreieren. Was natürlich nicht bedeutet, dass Sanders und KollegInnen keine Vorbilder hätten. Natürlich erinnert die Mega-Stadt, in der der Film spielt, enorm an Blade Runner, wirkt dabei aber etwas aufgeräumter, heller. Das durch und durch Menschliche, das sich in Blade Runner und vielen anderen Cyber-Punk-Produktionen vor allem durch seine Unangepasstheit, seinen Schmutz und Unübersichtlichkeit Bahn bricht, ist in Ghost In The Shell bereits von den Menschen selbst so weit verdrängt, dass kein Platz mehr dafür ist. In ihrem Streben nach Perfektion verbessern sich die Menschen nicht nur sich selbst immer weiter, sondern eben auch ihre Umwelt (Stichwort aktueller Optimierungs-Zwang). So sind es dann auch die Szenen, in denen die Figuren aus dieser selbstauferlegten Unmenschlichkeit ausbrechen, die vor Feuchtigkeit, Dreck und Chaos nur so schimmern. 

Angenehm dosiert präsentieren sich auch die Action-Sequenzen. Statt in jeder Sekunde das Budget des Films voll auszuschöpfen – nach dem Motto „Höher, schneller, weiter“ – konzentriert Sanders sich lieber auf seine Protagonistin und lässt sie das eine oder andere akrobatische Kunststück vollbringen. Wer also auf eine Materialschlacht aus ist, wird bei diesem Film glücklicherweise enttäuscht. Ebenfalls positiv fällt die Kameraarbeit von Jess Hall auf. Da Ghost In The Shell ein FSK 16 bekommen hat, bleibt die Kamera auch bei brutaleren Action-Sequenzen halbwegs ruhig und schneidet nicht wie wild von hier nach dort. Dennoch stellt sich hinterher die Frage, ob da nicht noch etwas mehr Luft nach oben gewesen wäre, etwas mehr Mut zu der verstörenden Ästhetik des Originals.

Und da kommen wir auch schon zu der leider wirklich großen Schwäche des Films: Während aller Nase nach optische Referenzen winken, wurde die Grundgeschichte so dermaßen glatt gebügelt, dass von den vielen Fragezeichen des Originals nichts mehr übrig bleibt, wenn man den Saal verlässt. Alles wird fein säuberlich aufgedröselt und für jede Frage, die anfangs aufgeworfen wird – vor allem, was einen Menschen ausmacht und wo die Grenze von Mensch zu Maschine verläuft – gibt es eine einwandfreie Antwort. Das wäre bei einem so ambitionierten Projekt wirklich nicht nötig gewesen. Kritiker in den allseits bekannten Feuilletons jammern und stänkern ja bereits, dass dem Remake sämtlich die philosophische Tiefe des Originals fehlt. Dem kann man getrost widersprechen, denn die eben genannten Fragen behandeln beide Filme. Der Unterschied ist vielmehr, dass der Anime es dem Zuschauer nicht so leicht macht, diese Fragen für sich zu beantworten. Das umgeht Sanders allein schon durch den Kniff, dass mit dem titelgebenden „Ghost“ nicht die Seele eines Menschen gemeint ist, sondern sein Gehirn. In dem Anime von 1995 war es noch der so schwer fassbare „Geist“ eines Menschen, der in ein Cyborg-Gehirn und einen Cyborg-Körper verpflanzt wurde. Das macht die Frage, was einen Menschen ausmacht und was nicht, natürlich etwas diffiziler als eine „simple“ Gehirn-Transplantation. Vielleicht hätte Sanders seinen Film lieber „Brain In The Tank“ nennen sollen.

Positiver ausgedrückt ist die Grundgeschichte von 2017 einfach wesentlich versöhnlicher und optimistischer. Ist vielleicht auch kein schlechtes Zeichen für unseren Zeitgeist? Aus einer Meditation über das Mensch-Sein und seine Grenzen hat Sanders schlicht ein Plädoyer für die Menschlichkeit gemacht. Dieser Prämisse folgt auch seine Hauptdarstellerin, Scarlett Johansson. Der emotionalen Kühle des Originals setzt sie Verletzlichkeit entgegen. Nach außen mag sie hart wirken – und die bösen Jungs erledigt ja auch keiner so gut wie sie – aber in ihr drin gärt die ständige Frage nach der eigenen Identität. Dadurch wirkt sie von vornherein wesentlich menschlicher als die Figur des Animes, was paradoxerweise zur Folge hat, dass dem Film eher emotionale Tiefe genommen denn gegeben wird. Die Faszination für den Anime ergibt sich auch und vor allem durch seine Hauptfigur, die nicht nur aufgrund ihrer Stärke, sondern vor allem aufgrund ihrer Emotionslosigkeit zunächst am unmenschlichsten wirkt, aber gleichzeitig die meisten Fragen zu unserer Existenz aufwirft. Diesen Widerspruch umgehen Johansson und Sanders, indem sie den Major von vornherein viel weicher anlegen. Das macht Johansson zwar wirklich gut und überzeugend, es nimmt der Figur aber enormen Reiz. Zudem kann auch breitbeiniges Herum-Stiefeln nicht von Johanssons allzu sinnlichem Körper ablenken, der trotz vieler Nackt- und Fastnackt-Szenen im Anime doch deutlich androgyner wirkte. Letztlich bleibt für Fans der Vorlage wohl eher ein Gefühl der Fehlbesetzung übrig, trotz der körperlich wie auch emotional guten schauspielerischen Leistung.

Was der Film dank seiner Besetzung dagegen wirklich gut vermittelt, ist ein Sinn von Internationalität mit japanischem Anstrich. Der gern bemühte Vorwurf des White-Washing greift hier eigentlich nicht. Klar, es handelt sich um eine japanische Vorlage und trotzdem sind nur einige wenige Figuren mit JapanerInnen besetzt worden. Aber schon die Figuren des Originals hatten oftmals westliche Gesichtszüge. Sanders entschied sich, die ewig voranschreitende – und genügend Gegenbewegungen hervorrufende – Globalisierung in seiner atemlosen Stadt auf die Spitze zu treiben und besetzte munter AmerikanerInnen, JapanerInnen, Französinnen und Dänen für seinen Film. Das wirkt wesentlich zeitgemäßer und sollte nicht als Kritikpunkt, sondern als positiv herausgestellt werden.

Fazit: Die visuellen Aspekte des Films können voll und ganz überzeugen, die Grundgeschichte wirkt aber schlicht zu versöhnlich und wird viel zu genau aufgelöst. Das nimmt dem Remake im Vergleich zu seiner Vorlage philosophische und emotionale Tiefe, was vor allem Fans des Originals bitter aufstoßen dürfte. Letztlich stellt sich auch die Frage, ob mit Scarlett Johansson die passende Besetzung für den Major gefunden wurde.

In diesem Sinne,


eure J.

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