Wonder Woman

Originaltitel: Wonder Woman
Regie: Patty Jenkins
Drehbuch: Allen Heinberg
Score: Rupert Gregson-Williams
Darsteller: Gal Gadot, Chris Pine, Robin Wright, Elena Anaya, David Thewlis


Wertung: 94 %

- Erfrischender Blick auf das Superhelden-Genre, vielschichtig und kurzweilig - 


Die Amazone Diana lebt auf einer geheimnisvollen, nur von Frauen bevölkerten Insel, abgeschnitten von allen anderen. Als der Spion Steve Trevor an ihren Strand gespült wird, erfährt sie das erste Mal von der übrigen Welt und dem darin tobenden Krieg, der alles zu vernichten droht. Also beschließt sie, ihn zu begleiten und gegen Ares, den Gott des Krieges, den sie in General Ludendorff zu erkennen glaubt, zu kämpfen. Aber: Kann eine Frau allein es schaffen, den Ersten Weltkrieg zu beenden? 

Dies nur mal gleich vorweg: Wonder Woman ist definitiv einer der besten Superhelden-Filme, die bislang gedreht wurden. Denn Patty Jenkins gelingt nicht nur der erfolgreichste Kinostart mit einem von einer Frau gedrehten Film (und löst – das gibt Grund zur Hoffnung – damit Fifty Shades of Grey ab), sondern auch eine Rückbesinnung auf die eigentlichen Werte dieses Genres: Diana hadert mit sich und sie ist angesichts der Grausamkeit der Menschen auch verzweifelt, aber sie versinkt nicht in Selbstmitleid, wie es der Dark Knight in seiner Trilogie gern mal tat. Ihr Glaube an sich selbst und an die Werte, für die sie kämpft, sind stärker als ihre Verzweiflung. Sie wird von Verantwortungsbewusstsein getrieben, ist aber kein Soldat wie Captain America. Das ist vielleicht der größte Unterschied zu ihren Kollegen: Diana geht es nicht darum, den Krieg zu bekämpfen, sondern Frieden zu bringen. Das scheint auf den ersten Blick das Gleiche, zeigt aber die verheerende Sichtweise üblicher (Leinwand-)Helden und ist auch der Grund für Batmans ständiges Dilemma mit dem Joker: Diese Helden existieren nur, weil das Böse existiert. Die Amazonen wurden dagegen geschaffen, um die Menschen zum Guten zu leiten. Deshalb ist der Kampf gegen den Bösewicht Ares zwar auch dramaturgischer Höhepunkt des Films, aber eben nicht sein Kernstück. Die entscheidende Sequenz, in der Wonder Woman ihre wahre Charakterentwicklung durchlebt, ist vorher: Wenn sie merkt, dass es nicht genügt, einen einzelnen bösen Mann zu töten, um den Krieg zu beenden. Denn das Böse ist in jedem von uns.

Das sind alles nicht besonders neue Aussagen. Aber das sind allgemein gültige, tierschürfende Aussagen über die Menschheit ja nie. Das „Neue“ an Wonder Woman ist die fast schon nostalgische Schlichtheit, mit der diese Aussagen getroffen werden. Diana feiert nicht nur Siege, wenn sie den Menschen hilft. Sie muss auch erkennen, dass sie in einem Weltkrieg mit völlig neuen Ausmaßen nicht allen helfen kann. Anders als andere Superhelden fokussiert sie sich nicht nur auf ihren Gegner, den Superschurken, sondern will vor allem den Opfern dieses Schurken helfen, denn darin sieht sie ihre eigentliche Aufgabe. Es ist nicht das Töten, sondern das Leben, das sie antreibt. Klingt kitschig und unrealistisch? Hey, seit wann sind Superheldenfilme realistisch? Und obwohl die Effekte nicht ganz mit der Marvel-Konkurrenz mithalten können, obwohl der weibliche Bösewicht eine eigenartige Maske trägt und Gas zusammenbraut, das ihren General übermenschlich stark macht – trotz alle dem wirkt Diana und wie sie sich in diesen Weltkrieg einfügt, wesentlich realistischer als es beispielsweise bei Captain America und den Nazis der Fall war. Wir wissen nicht nur, dass die Bösen böse sind, wir sehen auch die Folgen ihrer Taten: Verzweifelte, heimatlose Menschen, deren Städte und Dörfer zerbombt werden. Verwundete Soldaten, denen Körperteile fehlen. Männer, die eigentlich lieber Schauspieler oder Sänger in einer Bar geworden wären und stattdessen an die Front ziehen. Nicht nur Wonder Woman, auch ihr Umfeld werden dadurch menschlich und greifbar.

Auch, wer den Film ein bisschen gesellschaftskritischer lesen will, wird einen irren Spaß haben. Männer? Sind zur Fortpflanzung natürlich unentbehrlich, aber was den Genuss angeht, nicht ganz so wichtig. Die Kirche? Kann als Versteck eines Scharfschützen ruhig zerstört werden. Obwohl die Würze der Szene vor allem darin liegt, dass Wonder Woman es selbst ist, die den Turm – nicht jedoch das Hauptschiff – der Kirche pulverisiert. Ja, richtig gesehen, da springt eine Frau heidnischen Glaubens in die Kirche rein und schneidet ihr mal eben den Phallus, pardon, Turm, ab. Mithilfe eines Schwertes, das Gottestöter genannt wird.  Und die Menschen applaudieren hinterher. Ich verwette das Leben meines Erstgeborenen, dass in einer Marvel-Produktion allerhöchstens der Bösewicht eine Kirche hätte kaputt machen dürfen. Aber was soll’s, dadurch wurden viele Menschen gerettet. 

Dass der Film kein feministisches Pamphlet gegen das christliche Patriarchat geworden ist, liegt vor allem an seinen männlichen und fein gespielten Nebenfiguren. Allen voran natürlich Chris Pine als Indiana-Jones-hafter britischer Spion. Er bringt nicht nur Witz in die Handlung, sondern stellt auch einen würdigen Begleiter für Wonder Woman und ihre Reise in die Welt der Menschen dar. Pine schafft es dabei, Diana auf ehrliche und glaubhafte Weise zu verfallen. Nicht, weil ihre Rüstung ziemlich knapp ausfällt oder ihr Gesicht so hübsch ist (obwohl das ständig betont wird und, Gal Gadot sei Dank, auch stimmt), sondern weil sie ein mutiger, durch und durch liebenswerter Mensch ist. Auch die übrigen Sidekicks sind herrlich divers und jeder mit einer griffigen, aber auch ergreifenden Hintergrundgeschichte ausgestattet. Sie zweifeln natürlich eine Weile an Diana, weil sie eine Frau ist, folgen ihr aber auch, nachdem die ihre Stärke bewiesen hat.

Dabei kommt es nie zu einer sexuellen Aufladung der Figur Wonder Woman. Wie gesagt, ihre Rüstung ist im Grunde lachhaft knapp, lässt aber auch die nötige Beweglichkeit zu und bildet durchaus ein Pendant zu anderen griechischen Rüstungen im Mainstreamkino (man denke da an Achilles in Troja oder die Sixpack-Recken aus 300). Die gute Frau wächst schließlich nicht in Sibirien auf. Auch Dianas Kampfstil ist angenehm androgyn. Anders als beispielsweise Black Widow alias Scarlett Johansson wirbelt sie nicht mit ihren langen Beinen um den Gegner herum, sondern greift beherzt mit Schild, Schwert und Lasso an, ganz ohne unnötige Akrobatik. Dabei spielen ihre zurecht antrainierten Muskeln. 

Eine echte Augenweide und letzte Erwähnung wert ist allerdings Robin Wright als Amazonen-General, Trainerin und Tante von Diana. Wenn die First Lady der USA, aka Claire Underwood, auf einem mächtigen Schlachtross den Strand entlang galoppiert kommt, um dann mit einem Streich drei feindliche Soldaten zu erledigen, geht dem Zuschauer einfach das Herz auf. Da schaut man gern mal über die eher mittelmäßigen übrigen Effekte hinweg (obwohl die Frage offen bleibt, warum DC seiner neuesten Heldin nicht bessere spendieren wollte).

Fazit: Wonder Woman ist ein grandioser Film, der dem Superhelden-Genre endlich mal wieder eine neue, alte Note hinzufügen konnte. Er überzeugt durch perfekt besetzte Figuren, mitreißende Musik (Hans Zimmer sei Dank!), einen tollen Erzählrhythmus, bei dem nicht ewig herumgeschnitten wurde (siehe Suicide Squat) und einer Heldin, die nicht sich selbst, sondern ihre Aufgabe für wichtig nimmt. Wer braucht da noch Superman? 

In diesem Sinne,

eure J.

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