Logan – The Wolverine

Originaltitel: Logan
Regie: James Mangold
Drehbuch: James Mangold u.a.
Score: Marco Beltrami
Darsteller: Hugh Jackman, Patrick Stewart, Dafne Keen


Wertung: 82 %

- Melancholisch-kantiger Abgesang auf das Mutanten-Dasein - 


Das Jahr 2029: Während die Zahl der Mutanten weiter schwindet, weil schlicht keine mehr geboren werden, schlägt sich Logan an der mexikanischen Grenze als Chauffeur durch. Während er mit seinem zunehmend unaufhaltsamen Alterungsprozess kämpft, taucht plötzlich das junge Mädchen Laura auf, die Logan in mehr als einer Eigenschaft ebenbürtig ist. Da Paramilitärs auf der Suche nach ihr sind, begibt sich Wolverine zusammen mit Professor X auf eine letzte Reise, um sie in Sicherheit zu bringen.

Lange wurde er erwartet und viel wurde geredet über die Altersfreigabe. Jetzt läuft er – ab 16 Jahren – in den deutschen Kinos: der letzte Wolverine-Solofilm. Nach dem äußerst vielversprechenden Trailer, untermalt mit Johnny Cashs „Hurt“, waren die Erwartungen enorm hoch. Der Film basiert lose auf den „Old Man Logan“ Comics, in denen Wolverine in einer dystopischen Zukunft lebt, die sich diverse Bösewichte untereinander aufgeteilt haben. Der Trailer versprach zumindest, die trostlose, staubige Stimmung des Comics auf die große Leinwand zu übertragen. Was also hat der dritte Film über einen Mutanten mit Krallen und Selbstheilungskräften zu bieten?

Genau genommen ist es nicht die Altersfreigabe, sondern der Erfolg – oder Misserfolg – der vorangegangenen Soloauftritte, der Logan einige Freiheiten bietet. Das Thema des Helden wider Willen, der nichts desto trotz die Welt rettet, ist ausgelutscht, das war James Mangold von Anfang an klar. Niemand hätte sich für ein drittes Wolverine-Abenteuer dieser Art interessiert. Mit „Old Man Logan“ bot sich eine erfrischend neuartige Vorlage, die von Anfang an ein älteres Publikum ansprechen sollte. Damit zollt Logan das erste Mal dem Grundton der Wolverine-Comics echten Tribut, denn diese waren schon immer wesentlich blutiger und grausamer als die X-Men. Immerhin geht es um eine Waffe auf zwei Beinen. Nach dem finanziell großen Erfolg von Deadpool hat sich das Studio dann also getraut, auch Logan eine höhere Altersfreigabe zu verpassen. Hätte der Film das wirklich gebraucht? Jein. Die Action ist tatsächlich um einiges blutiger als gewohnt, ständig ragen die Spitzen von Logans Krallen aus irgend einem Schädel und das Blut spritzt nur so. Hinreichend verstörend sind auch Lauras Angriffe auf ihre Häscher, in denen sie sich in eine kreischende Bestie verwandelt. Der grundlegend düstere Ton wäre sicherlich nichts für Zwölfjährige gewesen. Wenn Logan feststellt, dass seine Krallen nicht mehr so ausfahren wie früher und er sie per Hand nachzieht – nicht, ohne sich sich dabei selbst zu verletzen – oder die junge Laura ihre eigenen Selbstheilungskräfte ausprobiert, indem sie sich immer wieder selbst in den Arm schneidet, dann wird klar, dass dieser Film wesentlich näher an der Realität ist als das übliche X-Men-Popcornkino. Und das bedeutet nun mal auch, dass es nichts Glamouröses oder Heldenhaftes an sich hat, hunderte Menschen mit Klingen zu töten, die aus dem eigenen Unterarm wachsen. Diese Grundhaltung tut dem Film, aber auch seiner grummeligen Hauptfigur sehr gut. Wir haben Professor X und Wolverine oft genug die Welt retten sehen. Es wurde Zeit, sie altern zu lassen. Die Zartheit, die sich dabei in der Beziehung zwischen Logan und Charles Xavier offenbart, erinnert dabei fast schon an Arthouse-Kino, so viel Zeit nimmt Mangold sich, um die neue Sicht auf seine Figuren zu etablieren.

Zu einer runden und vollkommen überzeugenden Sache wird diese Sicht durch das Setting, Maske und Musik. Die staubige Ödnis der amerikanisch-mexikanischen Grenze (die vor dem Hintergrund neuester Entwicklungen a la Trump und dem relativ geringen Abstand zur erzählten Zeit von gerade mal 12 Jahren eine ganz neue Brisanz erhält) gleicht der Landschaft von Logans müder Seele, die nur noch von Alkohol gewässert wird. Hier offenbart sich, wie sehr Wolverine die X-Men eigentlich wirklich brauchte. Ohne sie, ohne eine Aufgabe, ist er nichts als ein besserer Schläger, ist er nur noch Logan. 

+++ SPOILER! +++

Es passt daher auch perfekt ins Bild, dass er am Ende buchstäblich gegen sich selbst kämpft, zumindest eine wütendere, jüngere, bessere Version von sich selbst. Allein kann er diesen Kampf nicht gewinnen, er braucht dabei Lauras Hilfe. Nur sie kann ihm einen Weg aus der Verzweiflung heraus zeigen, auch wenn er es nicht mehr schafft, diesen zu gehen.

+++ SPOILER ENDE +++

Neben den unumgänglichen CGI-Blutspritzern, die aber nicht unangenehm auffallen, ist es dann auch die zurückgenommene Maske, die sich angenehm von den im Superhelden-Genre sonst üblichen glattgebügelten Gesichtern abheben kann. Zahlreiche Narben erzählen die Geschichte von Logans körperlichem Verfall, Schmutz und Blut von seiner Reise. Darüber hinaus wurde dankenswerterweise auf zu viel CGI verzichtet. Da kommen dann auch gleich Assoziationen zu Mad Max: Fury Road auf, wenn Logan sich in seiner zerbeulten Limousine durch die Wüste Mexikos kämpft.

Der heimliche Star des Films ist aber natürlich Laura. Dafne Keen überrascht mit einer angenehmen und angemessenen Androgynität, mit der sie zielsicher die Untiefen Kleiner-Mädchen-Geschlechterrollen umschifft. Kreischend und mit vor Wut verzerrtem Gesicht stürzt sie sich hemmungslos auf ihre Feinde und bleibt dabei immer ein ernst zu nehmender Charakter. Erstaunlich auch, dass ihre schauspielerische Leistung vor allem dann zur Geltung kommt, wenn sie schweigt.

Schwer fällt es zunächst nur, Professor X als verwirrten alten Mann zu erleben. Jeder, der die X-Men-Filme gesehen oder die Comics gelesen hat, ist Charles als weise, starke Persönlichkeit gewohnt – und Patrick Stewart spielte diese Persönlichkeit mit nahezu majestätischer Erhabenheit. Ihn nun hilflos, teilweise auch albern zu sehen, ist ungewohnt, passt aber zur Grundstimmung des Films. Und die Frage, was eigentlich passiert, wenn das mächtigste Gehirn der Welt erkrankt, ist schließlich auch keine nebensächliche. 

Neben all dieser emotionalen Tiefe verblassen die Bösewichte des Films dagegen leider völlig zu eindimensionalen Schurken. Das ist sehr schade, denn gerade das X-Men-Universum hat sich schon immer durch beeindruckende und meist tief verletzte Bösewichte ausgezeichnet, die niemals grundlos böse waren, sondern stets eine mehr oder weniger komplexe Hintergrundgeschichte aufweisen konnten (bestes Beispiel: Magneto). Die fehlt hier leider völlig. Das Grundthema der X-Men – die Skrupellosigkeit des Militärs – bleibt zwar erhalten, darüber hinaus hat Logan allerdings nichts zu bieten. Richard E. Grant, vielleicht einer der am wenigsten geachteten Charakterdarsteller unserer Zeit, hätte sicherlich mehr zu bieten gehabt.

Muss an dieser Stelle noch über Hugh Jackman gesprochen werden? Überzeugend wie immer brüllt und schlachtet er sich durch den Film, ohne dabei die inneren Konflikte der Figur zu kurz kommen zu lassen. Man kann sagen, dass es auch Jackmans Leistung als Wolverine war, die mit nervtötenden Neubesetzungen Schluss gemacht hat. Heute ist es undenkbar, dass Jemand anders als Robert Downey Jr. Iron Man spielt, aber noch vor 10 Jahren war das durchaus Gang und Gäbe. Erst das Auftreten von Schauspielern wie Jackman, die sich ganz ihrer Rolle verschreiben und mit ihr komplett identifiziert werden, bereitete den Weg für diese Kontinuität. Bleibt nur die Frage, ob wir ihn zumindest in kleinen Gastauftritten (zumindest für Deadpool 2 hatte Jackman ja Ähnliches eingeräumt) noch einmal zu sehen bekommen.

Fazit: Dem Publikum, das von immer neuen Superhelden und Superlativen langsam die Schnauze voll hat, kann Logan einen neuen, erfrischend-düsteren Blick auf das Genre liefern. Dabei verliert er sich aber gelegentlich in unnötig langen Fleischfesten, die trotz Freigabe ab 16 Jahren nicht nötig gewesen wären. Dafne Keen liefert ein überzeugendes Debüt und Hugh Jackman einen würdigen Abschluss seiner Karriere als mürrischer Mutant. Ein Meisterwerk ist leider trotzdem nicht draus geworden, was vielleicht auch an der etwas zu langen Laufzeit und den blassen Bösewichten liegt.

In diesem Sinne,

eure J.

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