A Cure For Wellness

Originaltitel: A Cure For Wellness
Regie: Gore Verbinski
Drehbuch: Hustin Haythe
Score: Benjamin Wallfisch
Darsteller: Dane DeHaan, Jason Isaacs, Mia Goth


Wertung: 90 %

- Wohlig-altmodischer Gruselfilm, hervorragend gefilmt und voller Zitate -


Lockhard ist Bänker, und als solcher hat er keine Zeit und etwas zu verbergen. Aus diesen Gründen ist es wichtig, dass sein Kollege Pembroke zurück ins Büro kehrt, um eine anstehende Fusion zu begleiten. Doch der befindet sich in einem Kurort in den Schweizer Alpen und denkt nicht dran, zurückzukehren. Also wird Lockhard geschickt, um ihn zu holen. Allein - Niemand verlässt das eigenartige Sanatorium jemals wieder. Und so erleidet auch Lockhard einen Unfall, der ihn schnell zum Patienten der Einrichtung macht…

Es stimmt schon, A Cure For Wellness ist nicht perfekt. Kritiker mosern rum: Mimimi, der Plot ist zusammengeklaubt, mimimi, das Ende ist überreizt, mimimi, es fehlt der rote Faden. Es scheint, als hätten diese Menschen nie Filme wie Sleepy Hollow gesehen, dem der Film vielleicht noch mehr entleiht als Shutter Island und Shining zusammengenommen. Denn das Herz dieses Films schlägt nicht, wie man auf den ersten Blick meinen könnte, für medizinische Grausamkeiten oder für die 70er. Es schlägt für die gute alte viktorianische Gruselgeschichte. Sie bildet den Grundton von Verbinskis Dreiklang, umrahmt von einer kurzen, aber intensiven Kapitalismuskritik sowie Anleihen an Stanley Kubrick. Lockhard ist ein gnadenloser Anwalt des Teufels, der einzig und allein an sein Geschäft denkt, als er seinen Kollegen zurückholen will. Das schärft aber auch seinen Blick für die Unstimmigkeiten in dem Sanatorium. So können wir, zusammen mit ihm, immer tiefer in die Geheimnisse und die Geschichte des Ortes eintauchen. Dass diese Geschichte letztlich das Kino nicht neu erfindet, stört dabei aber nur, wenn man den Film nicht als Hommage an die Neogotik begreifen will. Wessen Herz jedoch bei gruseligen Laboratorien und moralisch fragwürdigen Familiengeheimnissen höher schlägt, der wird A Cure For Wellness zu schätzen wissen.

Zu Beginn ist es vor allem die Kameraarbeit von Bojan Bazelli, die den Zuschauer in die Geschichte hinein zieht: Aus ungewöhnlichen Winkeln wirken die einfachsten Dinge, wie eine Karaffe mit Wasser oder ein Kugelschreiber wie die Träger einer verborgenen Botschaft. Nichts ist so, wie es scheint und nichts ist harmlos. Stattdessen scheint überall Gefahr zu lauern. Mit diesem Blick auf die Welt greift Verbinski grundlegende Motive der klassischen Gruselgeschichte auf: die feindselige Welt, die nur eine Ansammlung von Abgründen zu sein scheint, die man eine Weile umgehen kann, schließlich aber in sich selbst wiederfindet. Die Bilder, die Bazelli und Verbinski hierfür finden, sind entweder quälend ruhig und hell oder aber grausam, körperlich und dunkel. Regelmäßige Kinogänger dürfen sich vor allem darauf freuen, dass die beiden in der Konsequenz ihrer Bildsprache durchgehend furchtlos sind und nicht vor dem Abschreckenden, Abstoßenden zurückschrecken. Wer Angst vor dem nächsten Zahnarztbesuch hat, sollte auf den Film daher vielleicht lieber verzichten.
Gerade surreale und hintergründige Geschichten sind immer nur so überzeugend wie die Menschen, die sie erzählen. Dankenswerter Weise hat sich Verbinski mit Dane DeHaan einen der talentiertesten jungen Darsteller Nordamerikas für seine Hauptfigur gewählt. Durch ihn wird Lockhard nicht nur ein Opfer höherer Mächte, sondern auch ein vielschichtiger und durchaus bösartiger Charakter. Auch hinterher fragen wir uns noch: Wehrt er sich gegen die Behandlung, um sein Leben zu retten oder um in sein altes Leben zurückzukehren, weiter Geld zu scheffeln und seine Seele zu verkaufen – was eine Rettung ebenso widersinnig erscheinen ließe wie aufzugeben? Flieht er letztlich doch nur wieder vor sich selbst und seinen quälenden Erinnerungen an die eigene Kindheit?

Ebenso angenehm offen bleiben die Details der zugrunde liegenden Geschichte (über die hier nicht allzu viel verraten werden soll): Welche Rolle spielt das Wasser, das die Patienten alle aus der dortigen Quelle trinken? Was ist die viel zitierte Krankheit wirklich, die es zu heilen gilt? Kapitalismus? Zivilisation? Gier? Oder gar der Tod selbst? Ein guter Film stellt Fragen und liefert am Ende die Antworten. Ein besserer Film wirft dagegen Fragen auf und lässt sie gerade so offen, dass wir uns daran aufreiben. Bei all der Sorgfalt, die Verbinski und sein Team bei Schauspielern, Ausstattung, Kamera und Effekten walten lassen, scheint es unlogisch, dass ausgerechnet die Handlung ihnen weniger wichtig erschien. Es liegt vielmehr der Gedanke nahe, dass gewisse Details absichtlich unerklärt bleiben, um die eigene Fantasie anzuregen. Denn so funktionieren Gruselgeschichten – mit unserer Fantasie. Sie zeigen nicht alles, sondern lassen uns selbst nach erschreckenden Antworten suchen. Das unterscheidet wohlig-gruselige Horrorklassiker wie Frankenstein oder Dracula vom modernen Torture-Porn (obwohl die ein oder andere Sequenz durchaus schmerzhaft genau dargestellt wird). 

Fazit: Obwohl A Cure For Wellness letztlich auch „nur“ eine Hommage an verschiedene Epochen des Kinos ist, setzt sich der Film dennoch vom aktuellen Popcorn-Einerlei wie auch von den übrigen Oscar-Dramen ab (die, trotz ihrer Qualität, eben auch auf bestimmte Genres festgelegt sind). Kameraarbeit, Ausstattung und Kulissen sind qualitativ enorm hochwertig, die Schauspieler überzeugend. Wer klassische und handwerklich gute Gruselgeschichten mag, dem wird der Film sehr viel geben können.

In diesem Sinne, 
eure J. 

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